Dave Duncan
wonach er suchen mußte, bohrte er vorsichtig nach, bis seine Zaubererinstinkte das Problem gefunden hatten. Heikel! Er versuchte es… und w ischte es fort.
Shandie zuckte zusammen. »Oh! Autsch! Oh, es ist verschwunden! Ich bin gar nicht mehr unruhig!«
»Gelobt seien die Götter!« sagte Emshandar. »Shandie, du darfst dir nie wieder diese Medizin geben lassen, nie wieder. Du darfst sie auch nicht selbst nehmen! Kannst du mir das versprechen, Soldat?«
»Ja, Sir. Ich mag sie gar nicht. Sie hat nur den Schmerz weggemacht und das komische Gefühl. Und Rap hat das jetzt auch geheilt. Es kommt doch nicht wieder, oder?«
»Ich glaube nicht.« Rap wischte sanft die letzten Spuren der Abhängigkeit fort.
Der alte Mann lehnte sich mit einem Seufzer zurück. Er sah älter aus als sein Königreich. Er lächelte Rap dankbar an, doch die Kräfte verließen ihn sichtlich. Ihre private Unterredung würde warten müssen, bis er wieder bei Kräften war – und vermutlich auch, bis Shandies scharfe junge Ohren nicht in der Nähe waren. Rap konnte natürlich für okkulte Stärke sorgen, doch er war sich nicht sicher, ob er dadurch nicht einen Kater heraufbeschwören würde. Es konnte gefährlich sein.
Außerdem hatte Rap selbst ein Problem. Er konnte sich kaum daran erinnern, wann er zum letzten Mal gegessen hatte. »Seid Ihr hungrig, Sire? Ich bin völlig ausgehungert!«
Emshandar IV war es vermutlich nicht gewöhnt, derart unverfroren ausgefragt zu werden, doch seine dünnen Lippen lächelten tolerant. »Ja, ich bin auch ausgehungert.«
Shandies Gesicht hellte sich auf.
Die Kutsche war sehr gut gefedert, und die Straßen waren eben. Essen würde kein Problem sein.
»Mögt Ihr beiden Hühnerklöße?« fragte Rap.
6
Es war noch nicht viel länger als ein Jahr her, da hatte König Holindarn von Krasnegar einen gewissen Hirtenjungen, der über eine eigenartige Begabung verfügte, zu einem vertraulichen Gespräch in sein Arbeitszimmer rufen lassen. Wie großartig waren dem unerfahrenen Burschen damals jene königlichen Gemächer vorgekommen! Wie unbeholfen und linkisch er sich zwischen all den großartigen Büchern und den weichen Sesseln und Torffeuern an einem sonnigen Tag gefühlt hatte!
Das alles wollte ihm nun schlicht und wunderlich erscheinen. Jetzt konnte er verstehen, daß Holindarn nicht viel mehr als ein unabhängiger Landbesitzer gewesen war, der ein Königreich von eigenen Gnaden regierte, das kleiner war als der OpalPalast des Imperators. Doch er war ein guter Mensch gewesen – besser als die meisten anderen, die Rap seitdem auf seinen langen Reisen getroffen hatte. Tatsächlich gab es nur wenige unter den Einwohnern Pandemias, die ihm bewundernswert schienen: Gathmor auf seine rauhe Art, und die Seeleute von Durthing natürlich. Doch wer von den Führern und Edelleuten? Natürlich Lady Oothiana in Faerie. Ishist, der schmutzige kleine Zauberer vielleicht. Holindarns Schwester, gewiß. Und vielleicht, auch nur vielleicht, dieser Imperator Emshandar selbst. Das würde die Zeit zeigen… möglicherweise. Emshandar hatte sich offensichtlich sofort sicherer gefühlt, als er wieder in seinen Gemächern war und hatte dafür gesorgt, daß sie von Männern bewacht wurden, die sie kannten. Seine nächste Priorität war ein Bad gewesen.
Also hatte Rap Shandie gebeten, ihn durch den Palast zu führen, und schon bald hatten sie ihre gemeinsame Liebe zu Pferden entdeckt. Sie hatten bei den Ställen begonnen und beendeten ihren Nachmittag auch dort. Für Kunst, die dekorativen Gärten oder Architektur von historischer Bedeutung hatten sie keine Zeit.
Jetzt waren sie in die imperialen Gemächer zurückgekehrt, wo der verknöcherte alte Mann immer noch von hektischen Kammerdienern gewaschen und frisiert wurde. Die ganze Zeit verlangte er nach diesem besonderen Diener oder jenem alten Gefolgsmann, und er wurde immer wütender, wenn er entdeckte, daß derjenige nicht da war. Er war einmal ein großer Mann gewesen und war immer noch so groß wie Rap; in seiner Jugend vermutlich Soldat; über dreißig Jahre lang starker Regent einer mächtigen Nation, von langer Krankheit so stark geschwächt, daß er jetzt kaum ohne Hilfe stehen konnte… kein Wunder, daß er schlechte Laune hatte! Vielleicht war die Genesung eine zweifelhafte Gnade gewesen.
Jetzt hüllten drei Diener ihn mit besonderer Vorsicht in einen enorm langen und weichen, purpurfarbenen Stoff, mit dem man die Stormdancer hätte segeln können. Natürlich
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