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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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beeindruckt sein.
    Rap hatte sie schon einmal nackt gesehen, als uraltes Weib, und es hatte ihn abgestoßen. Der knochige kleine Körper, der in der Nebenwelt vor ihm erschien, war um vieles älter und so wenig menschlich, daß er nur Grauen empfinden konnte. Beinahe nichts mehr war von ihrem ursprünglichen Körper übrig. Er hatte gewußt, daß sie Jahrhunderte alt war, doch jetzt konnte er sehen, daß sie sich über all die Jahre mittels Zauberei selbst zusammengeflickt hatte, denn ein Organ nach dem anderen hatte nicht mehr funktioniert. Sie war winzig wie ein Kind und abscheulich.
    Die mentale Last, die sie mitbrachte, ließ sich mit >abscheulich< nicht einmal annähernd beschreiben. Junge Männer, die sich in Qualen wanden, ertrinkende Seeleute, brutale Gruppenvergewaltigungen… Tod! Galaxien sterbender Gesichter, unzählige verrottende Leichen. Drei Jahrhunderte voller Tod – Pest und Ausrottung, Blutvergießen, Krankheit und einsames Alter. Bright Water war besessen von dem Schicksal, dem sie sich so lange entzogen hatte. Das war das Geheimnis ihres Wahnsinns. Wieviel Tod konnte man in dreihundert Jahren sehen?
    Glücklicherweise gewann Rap schnell wieder die Kontrolle über seine Empfänglichkeit, und er konnte die ekelerregenden Bilder beinahe vollständig ausblenden.
    Selbst als auf dem Thron ihr jugendliches öffentliches Bild die Ehrenbezeigungen mit einem Nicken entgegennahm, klang Rap in der Nebenwelt ein schrilles Keckern in den Ohren. »Und wir treffen uns auch wieder, Faun! Als ich Euch das erste Mal gesehen habe, sagte ich Euch ein großes Schicksal voraus, nicht wahr?«
    »Wie? Nein, das habt Ihr nicht! Ihr sagtet, Ihr könntet nichts erkennen!«
    Der mumifizierte grüne Affe in der Nebenwelt wedelte mit Armen, die viel zu lang erschienen, während die Luft über dem Kopf eine riesige Menge Leichen durcheinanderwirbelte. »Aber wir wußten warum, nicht wahr, ha? Nicht zu wissen bedeutet zu wissen, ob man weiß, warum man etwas nicht weiß! Da bleibt nur eine Erklärung, ha?« Sie rückte ein wenig näher, so daß er zurückschreckte, obwohl er keine echte Bewegung oder Nähe feststellen konnte. »Und Ihr habt Eure Tätowierungen behalten! Das überrascht mich!«
    Es gefiel ihr, und ihre Gunst war vielleicht viel gefährlicher als ihre Mißbilligung über das, was bald geschehen würde. Er verbeugte sich. »Es ist keine geringe Ehre, ein Kobold zu sein«, sagte er in der Hoffnung, daß diese Worte huldvoll klangen. »Ich stehe um ein Vielfaches in Eurer Schuld, Ma’am.«
    Die winzige Figur sank zurück und verspottete ihn mit einem Kniefall. »Das ist wohl wahr! Und Ihr werdet Euch daran erinnern, wenn die Zeit gekommen ist?« Plötzlich warf sie ihren Kopf zurück, er war wie eine schrumpelige braune Kokosnuß. »Und mein lieber Bruder aus dem Westen ebenfalls?«
    Falls das als Scherz gemeint gewesen war, hatte er seine Wirkung bei Zinixo nicht erreicht, der nun noch finsterer blickte und sich mit unruhigem Blick umsah. Seine Zinnen waren auf Bright Waters Seite genauso hoch wie anderswo. Klauen kratzten am Fels in der Unterwelt.
    »Seine Omnipotenz Hexenmeister Olybino«, verkündete Lith’rian den normalsterblichen Zuschauern.
    Der Imp, der auf dem östlichen Thron erschien, trug eine prächtige, mit Gold und Juwelen besetzte Uniform. Sogar sein Umhang und das Büschel Pferdehaar auf seinem Helm funkelten wie gesponnenes Gold. Er sah jung aus, stattlich und männlich.
    Sein Bild in der Nebenwelt war ältlich, kahl und fettleibig – außerdem schwächer als das der anderen. Sogar für einen Imp war er klein. Olybino war der einzige, der Rap noch nicht kennengelernt hatte, und er verzog mißbilligend den Mund, als habe er auch nicht vorgehabt, ihn zu treffen. Oothiana hatte ihn den schwächsten der Vier genannt, und Lith’rian verachtete ihn – allerdings gab es vermutlich nur wenige Menschen, die der Elf nicht verachtete.
    Er war auf jeden Fall nicht sehr eindrucksvoll. Wäre er nicht so gefährlich gewesen, hätte er gar mitleiderregend gewirkt – denn der schwabbelige kleine Mann stand inmitten einer Szenerie aus Schilden, wehenden Fahnen, göttergleichen Kriegern, die ihre Schwerter in vornehmen Kämpfen erklingen ließen, und glänzenden Armeen im Kampf. Das war der idealisierte Krieg, Krieg als Sport für Hexenmeister, ohne den Schlamm, Gestank und Schmerz des echten Krieges. Auf gewisse Weise war es sogar schlimmer als Bright Waters Besessenheit vom Tod, denn die Menschen darin

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