Dave Duncan
war keine nahe Verwandte, das weiß ich, aber ein wenig schickliche Trauer wäre keine schlechte Politik.«
Inos bat um Verzeihung und ärgerte sich über ihre Taktlosigkeit. Die tiefliegenden alten Augen ließen ihr Gesicht nie los, und ihr wurde klar, daß Emshandars Ruf als schlauer Manipulator vermutlich wohlverdient war.
»Dadurch befindet sich Kinvale in einer merkwürdigen Lage«, fuhr er fort und überließ es ihr, daraus Schlüsse zu ziehen. Der Herzog war jetzt nicht zum Regieren in der Lage, seine Töchter noch nicht volljährig.
»Töchter!«
»Ja. Jedoch ist Kinvale zufällig eines der ganz wenigen Mitgiftlehen – der Titel kann auch durch die weibliche Linie weitergegeben werden. Die einzige Frage lautet daher, wen ich als Vormund für unsere Cousinen einsetzen kann, bis die neue Herzogin die Erbfolge antreten kann.«
Inos wehrte die versteckte Frage ab, denn sie hatte das Gefühl, daß Kade sie selbst beantworten sollte. Außerdem führte sie dazu, daß Inos sich wieder Gedanken über ihre eigene Zukunft machte.
Doch der Imperator war ihr immer noch voraus. »Wir haben etwas von Krasnegar gehört.« Er machte eine traurige Geste zu dem Tisch, auf dem sich Papiere türmten, und der vermutlich seine Abendbeschäftigung darstellte.
»Die Straße ist wieder offen?«
»Nein, leider! Wir selbst halten den Paß, aber sogar die Zwölfte Legion konnte Pondague nicht zurückerobern, oder das, was einmal Pondague war. Die kleinen grünen Burschen kämpfen um jeden Baum.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Noch nicht einmal die Zwölfte! Meine alte EinEinheit!«
Wenn nicht über die Straße… Doch natürlich schlossen die Häfen in Krasnegar nur wenige Wochen nach Mittsommer. Dann mußten die Schiffe zurück ins Impire segeln, und die Berichte der Kapitäne brauchten noch weitere Wochen bis nach Hub. Der Zeitrahmen klang angemessen.
»Und wie steht es mit Krasnegar, Sire?«
»Schlecht.« Er hievte sich vom Stuhl hoch und ging hinüber, um auf dem vollen Tisch etwas zu suchen. »Sofort, nachdem ich die Truppen abgezogen hatte, kam ein Jotunn namens Greastax mit einem Langschiff und den üblichen Schurken an. Er behauptet, Kalkors Bruder zu sein und in seinem Namen zu regieren. Halbbruder, nehme ich an. Äh, hier ist es. Dies ist eine Zusammenfassung unserer Erkenntnisse.«
Er gab ihr ein Heft von acht oder zehn in Leder gebundenen Seiten. Die Handschrift war klar und professionell, doch hinter der blutleeren bürokratischen Ausdrucksweise verbargen sich Tragödien. Sie überflog schnell die Seiten und reichte sie zurück, entsetzt bis aufs Mark. »Danke… Sire?«
Der Imperator lachte leise, als er zu seinem Stuhl zurückkehrte. »Ihr seid nicht ganz so schnell wie Master Rap, aber er brauchte auch nicht die Seiten umzublättern.«
Sie war weder in der Stimmung für Neckereien noch für den Humor des alten Imperators. »Diese Nachrichten sind Monate alt! Wie viele Tote und Vergewaltigungen hat es seitdem gegeben?«
Emshandar starrte sie düster einige Sekunden über den Rand seines Weinglases hinweg an. »Das wissen die Götter. Die Vergewaltigungen sind vielleicht mit der Zeit weniger geworden. Letzten Frühling… Diese Truppen waren die schlimmsten in unserer Armee. Solchen Abschaum wie diese Burschen in Pondague würde ich niemals für wichtige Dinge einsetzen. Die Morde… hier gilt dasselbe! Diejenigen, die widerstehen konnten, haben es bereits getan, und nur die Eingeschüchterten sind geblieben. Aber was ist mit dem Lebensmittelnachschub?«
»Es ist immer eine prekäre Sache«, murmelte sie, als sie über die Worte nachgrübelte, die sie soeben gelesen hatte. Zumindest waren zwei Schiffe mit ihrer gesamten Ladung zurückgekehrt, hatten sich nicht mit den Jotnar eingelassen, die in der Überzahl waren, und die Imps hatten bereits das gesamte Geld und alle Wertgegenstände aus der Stadt geplündert. Sie fragte sich, ob Foronod mit einer demoralisierten oder dezimierten Arbeiterschaft zur Erntezeit sein übliches Wunder hatte vollbringen können. Alles, was die Ernte beeinträchtigte, konnte im Frühling zu einer Hungersnot führen, und zwar in jedem Jahr. »Ich muß gehen! Bald!«
Der alte Mann schüttelte traurig den Kopf. Er brauchte nichts zu sagen, denn sie brauchte nur kurz nachzudenken, um zu erkennen, daß ihre Worte offensichtlich Unsinn gewesen waren. Sie konnte nichts tun. Selbst die besten Truppen des Imperators konnten zur Zeit nicht in die Taiga vordringen, und das Meer war
Weitere Kostenlose Bücher