Dave Duncan
schlug sie nicht Alarm?
»Faun?« fragte sie leise. Ihre Stimme klang wie das trockene Knirschen eines Stiefels auf gefrorenem Gras. »Warum hier Faun?«
Rap sagte nichts. Er versuchte, seine Lippen zu befeuchten, und schmeckte Blut aus den offenen Frostbeulen.
»Von weit aus den Tälern«, trällerte das alte Weib mit unmelodischer Stimme, aber zum Glück leise, »Wo seine Vorfahren sich zeigen… Nein, das stimmt nicht… Nicht sich zeigen! Wie war das noch?«
Sie zeigte einige scharfe Koboldzähne, als sie auf ihrer faltigen Unterlippe kaute. »Warum benutzt er seine Macht hier, eh?«
Rap versuchte, etwas zu sagen, doch seine Zunge klebte an seinem Gaumen fest. Offensichtlich hatte sie nicht daran gedacht, Alarm zu schlagen. Er zwang seine bebenden Gliedmaßen zu Gehorsam, sank auf ein Knie, um weniger aufzufallen, falls noch jemand wach wurde. Jetzt waren ihre Augen auf gleicher Höhe.
»Ich bin hungrig«, flüsterte er. »Das ist alles.«
Sie schien ihn nicht zu hören. »Wer schleicht sich heran an meinen schlafenden Liebling… Eh? Faune bei meinem Süßen? Macht in dunklen Wäldern. Faune!«
»Bitte, weckt die anderen nicht auf.«
»Er benutzt seine Fähigkeiten bei den Hunden, das ist alles.« Sie war sehr, sehr alt und vermutlich verrückt.
Dann tat sein Herz wieder einen wilden Satz – sie war nicht mehr da! Seine Sehergabe fand nichts, wo seine Augen sie gesehen hatten, und seine Augen konnten die Asche sehen, die durch ihre Robe hindurchschien.
Ein böser Geist? Er versuchte aufzustehen, doch seine Beine bewegten sich nicht. Er rieb sich die Augen, und die Vision schien aus der glühenden Feuerstelle zurückzukommen. Er biß seine Zähne zusammen, damit sie nicht mehr klapperten.
»Merkwürdig«, murmelte sie. »Kann nicht deutlich sehen.«
»Ich bin hungrig«, wiederholte Rap, der seine Worte kaum selbst verstehen konnte. »Das ist alles. Ich will Euch nichts tun.«
Er bewegte seine Hand, um zu sehen, ob sie die Erscheinung durchstoßen würde, und seine Finger berührten Wildleder – er zog sie eilig zurück. Die alte Hexe hatte es bemerkt. Sie schien ihre Augen zusammenzukneifen und sich fester auf ihn zu konzentrieren. »Ihr! Faun! Warum kann ich Euch nicht erspüren?«
Rap schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich bin hungrig«, flüsterte er wieder.
»Hungrig? Ihr?« Sie lachte gackernd in plötzlichem, verrücktem Vergnügen, und Rap schreckte zusammen und glaubte, alle Schlafenden würden aufwachen; doch niemand rührte sich.
Die alte Frau hörte abrupt auf zu lachen. »Mein Süßer!« Ihre Stimme war wieder leise, wie Wind im Gras. »Ihr dürft ihm nicht weh tun!«
»Weh tun? Wem?«
»Death Bird. Er ist uns verheißen.«
Rap konnte sich an den Namen nicht erinnern. Keiner der Jungen wurde so genannt, da war er sicher, und er glaubte nicht, daß er »Death Bird« zufällig bei einem Gespräch gehört hatte. Er schüttelte den Kopf. Die kleine Hexe bewegte ihre Kiefer, als kaue sie etwas, dann summte sie einen Augenblick lang, und schließlich begann sie wieder, leise zu singen. »Wenn der Sommer zieht in Uthols Tal…« Denkt dran, Faun – er ist kostbar.«
Dann war sie verschwunden.
Am Feuer drehte sich jemand auf die andere Seite und murmelte ein paar Worte im Schlaf.
Rap wartete, bis sein Herz nicht mehr wie wild klopfte, dann kam er schwankend wieder auf die Füße. Anscheinend hatte keine der Schlafenden die verrückte alte Frau oder ihre Lieder gehört. Das erschien ihm doch sehr unwahrscheinlich! Er begann, sich seinen Weg zurück zur Tür zu bahnen, sein ganzer Körper zitterte heftig. Aber er konnte sich beinahe davon überzeugen, daß er lediglich eine Halluzination gesehen hatte
– und gehört und berührt, hervorgerufen allein durch seinen Hunger.
Er schlüpfte schnell nach draußen, damit die Schlafenden nicht von einem kalten Luftzug geweckt wurden, dann eilte er zurück in die Schwärze der Nacht, wobei er die Hunde mit seiner Gabe zwang, ihre Aufmerksamkeit nicht auf sein kostbares Bündel zu richten. Als er den Schlafsaal der Jungen erreicht hatte, verspürte er beim Gedanken an Essen einen Schmerz im Mund, doch er legte den gefrorenen Klumpen neben die glühende Asche und es gelang ihm, sich zu beherrschen, bis der Fisch wenigstens zur Hälfte aufgetaut war; dabei hoffte er, daß das Zischen und Knistern nicht Little Chicken oder einen der anderen Jungen aufwecken würde. Er verbrannte sich die Finger, als er das ekelhafte, leckere Gemisch
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