David Roth und andere Mysterien
hätten, dass er sich das bei Tageslicht zutrauen würde. Genauso gut hätte er sich die Hose runterziehen, uns den nackten Arsch hinhalten und rufen können: Ätschbätsch! Daran habt ihr nicht gedacht, was? “
„Du hast recht. Er wollte uns in Sicherheit wiegen und seine Leistung krönen, indem er uns das Gefühl gibt, wir hätten versagt. Dieser Dreckskerl muss heute sterben“, sagte ich hart. „Egal, was es kostet.“
Lukas nickte mit entschlossenem Blick. Wie alt war er? Verstand er wirklich, was ich von ihm verlangte? Ahnte er, dass dies unser letzter Tag werden konnte?
„Also gut.“ Ich schaltete das Licht aus. „Jetzt sind wir mit einem Plan an der Reihe.“
***
Es war simpel.
Und selbstmörderisch.
Je weiter wir unser Vorhaben durchdachten, desto unruhiger wurde Lukas. Zweimal fragte er, ob wir nicht lieber Verstärkung anfordern wollten, aber das Risiko, dass es Westcott auffallen könnte, war zu groß.
Als sich die Wolken am Horizont orange färbten, sprachen wir ein letztes Mal durch, was wir verabredet hatten.
„Wir sprühen uns mit Rosenduft ein, damit er uns nicht wittert“, begann Lukas eifrig.
Ich nickte. Der Geruch der meisten Blumen konnte von Dämonen, die in Westcotts Kategorie gehörten, nicht wahrgenommen werden.
„Wenn sich unser Körpergeruch also mit dem der Blumen vermischt, werden wir gleichsam unsichtbar.“
„Du hast eine Flasche Rosenwasser dabei, nehme ich an?“
„Klar, hab ich immer. Sonst hätte Westcott mich längst entdeckt und zerfleischt.“
„Sehr gut.“ Ich klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Oh je, er war zu jung. Dass es ihm gelungen war, Westcott so lange zu folgen, war bemerkenswert, aber ich zweifelte stark daran, dass er solches Glück zweimal haben konnte. „Du bleibst in dem Zimmer mit den Plakaten. Ich halte mich im Wohnzimmer versteckt und begrüße ihn, wenn er den Flur betritt.“
„Du übernimmst den gefährlichen Teil“, sagte Lukas zerknirscht. „Du provozierst ihn und führst ihn vor den Raum, in dem ich warte. Ich werde mich auf ihn stürzen. Falls er früher zuschlägt, weil du es übertreibst, bist du tot und ich habe die Ehre, dir Westcott hinterher zu schicken.“ Er schüttelte den Kopf. „Mann, Lauri …“
***
Von dem durchdringenden Rosenduft war mir schlecht. Ich kauerte in einer Ecke, fröstelnd, ein Messer in der Hand. Vor meinem inneren Auge spielten sich Dramen ab: Lukas starb bei dem Versuch, mir zu helfen. Westcott bluffte erneut und entführte in diesen Minuten Linda. Westcott kam nicht allein, sondern brachte unzählige Helfer mit.
Ich kniff die Augen zu und zwang mich, normal zu atmen. Unwillkürlich dachte ich an David und meine innere Unruhe löste sich sofort. In Gedanken betrachtete ich sein Gesicht, malte mir aus, ihn bald wiederzusehen, und versank in Erinnerungen an ihn.
Seine Lippen auf meinem Mund … sein Grinsen …
Die Haustür fiel ins Schloss. Der Tracker an meinem Oberschenkel begann zu blinken. Ich schob David aus meinem Bewusstsein, verstärkte den Griff um das Messer in meiner linken Hand und verließ das Wohnzimmer.
Westcott – er war es eindeutig, Billys Beschreibung passte perfekt – zuckte zusammen, tiefes Entsetzen im Blick, und kauerte sich reflexartig in eine Verteidigungsposition.
„Steve“, sagte ich freundlich. „Ich habe viel von dir gehört.“
Westcotts Augen wurden schmal. „Du. Du . Holopainen. Du bist Lindas Schutzschild.“
„Korrekt.“
„Was hast du dann hier zu suchen?“, fragte er angespannt.
„Ein Vöglein hat mir gezwitschert, dass du etwas planst.“ Ich zuckte gelangweilt mit den Schultern und drehte ihm den Rücken zu. „Davon wollte ich mich selbst überzeugen.“
Äußerlich war ich gelassen, innerlich zum Zerreißen gespannt.
Ich rannte los.
Westcott grollte und ich spürte den Luftzug, als er mir mit unmenschlicher Geschwindigkeit folgte. Obwohl es kaum eine Sekunde dauerte, dachte ich: Es wird natürlich nicht funktionieren. Lukas wird es nicht schaffen, sich genau rechtzeitig auf Westcott zu stürzen, obwohl seine Berechnungen sehr exakt sind. Seine Arbeit ist geradezu makellos, hoffentlich überlebt er es. Wenn es ihm nicht gelingt, Westcott zu erwischen, muss ich herumwirbeln und das Messer vor mich halten und in seinen Körper rammen und die Wucht des Zusammenpralls irgendwie überleben und David ein letztes Mal küssen und –
Ein dermaßen gleißendes Licht, dass Lukas und mir gleichzeitig ein
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