David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Es ist so gut wie jedes andere. Ich bin in zehn Minuten da.«
Die Empfangshalle des Swans bestand aus zwei sich überschneidenden Ovalen. Sie lagen auf verschiedenen Ebenen und waren an der Schnittstelle durch elliptisch gebogene Treppen miteinander verbunden. Durch die Eingangstür gelangte man auf die höhere Ebene zu einem langen, gebogenen Tresen aus schwerem, gemasertem Holz, passend zu den Teppichen und Wänden blau lasiert. Im unteren Teil herrschten Orangetöne vor. Dieser Teil war mit Möbeln vollgestopft. Fünf ockerfarbene Chesterfield-Sofas mit Bergen von Kissen in kontrastierenden Farben. Davor fleckige Couchtische aus Holz. Alles umgeben von einem Wald aus künstlichen, stilisierten Topfpflanzen in kräftigem Karottenrot. Ein einziger Mann saß dort.
Ich hatte ihn noch nie gesehen, das vereinfachte die Sache. Er war Ende dreißig, trug beige Timberland-Stiefel, weite Jeans und eine helle Lederjacke. Sein Gesicht war rau und wettergegerbt, und sein kurz geschnittenes, feines blondes Haar zeigte die ersten grauen Strähnen. Er hatte es sich auf dem mittleren Sofa gemütlich gemacht, so als rechnete er damit, länger dort sitzen zu bleiben. Eine aufgeschlagene Zeitschrift lag auf seinem Schoß, doch er las sie nicht. Sein Blick war auf mich gerichtet. Er fixierte mich, seit ich die Halle betreten hatte. Ich überprüfte noch einmal den Sitz von Tanyas Baseballkappe und vergewisserte mich, dass sie den größten Teil meines Hinterkopfs verbarg, bevor ich zum Empfangstresen ging. Tanyas zerschrammten Rimowa-Koffer zog ich als Deckung hinter mir her.
An der Rezeption war niemand. Nach einem Augenblick läutete ich die schwere, zwanzig Zentimeter große Messingglocke, deren Klingelknopf schon ziemlich abgenutzt aussah. Sie ließ einen tiefen, dröhnenden Klang wie von einer altmodischen Uhr ertönen. Ich wartete, bis er verklungen war, und stieß dann mit den Fingerspitzen leicht gegen die Klingel. Sie war nicht festgeschraubt.
Der Portier brauchte eine geschlagene Minute, bis er aus seinem Hinterzimmer kam. Sein Haar war zu einer übertriebenen Tolle über das linke Auge gekämmt, seine gespannte Haut wirkte fast transparent, und sein verknittertes blaues Hemd war ein paar Nummern zu groß für seine mageren Arme und den dürren Hals. Vorsichtig schlich er sich an den Tresen. Dort blieb er stehen und rieb sich die kleinen Knopfaugen, als könnte er nur mit Mühe klar sehen.
» Sie hatten angerufen?«, fragte er.
Ich nickte, und er zog ein Anmeldeformular aus einer Schublade. Ich stützte mich mit den Unterarmen auf den Tresen und sah ihm zu, wie er es mühsam ausfüllte. Dann zog er meine Kreditkarte durch das Lesegerät, prüfte die Angaben am Computer, programmierte eine Schlüsselkarte und reichte sie mir.
» Bitte schön«, sagte er. » Viel Vergnügen.«
Ich wandte mich ab und stieß im Gehen mit der rechten Hand die Klingel vom Tresen. Mit lautem Getöse schepperte sie herunter und rollte Richtung Treppe. Der Kerl auf dem Sofa hörte es, reagierte aber erst, als ich zum Aufzug ging. Dann griff er in die Jackentasche, doch er zog keine Waffe, sondern ein Telefon hervor.
Ich schätzte, wenn Taylor einen Wachposten in der Lobby sitzen hatte, dann hatte er höchstwahrscheinlich auch einen auf seinem Flur postiert. Er selbst und drei seiner Leute kannten mich. Deshalb fuhr ich nicht direkt in den zehnten Stock, sondern in den zwölften. Ich zählte die Zimmer. Es waren zwanzig. Nummer 1211 und 1212 lagen etwa in der Mitte des Ganges, ein wenig näher an der Treppe als an den Fahrstühlen, von denen ich gerade gekommen war. Ich ging an den Zimmern vorbei und machte mich an den Abstieg durch das Treppenhaus.
Die Feuerschutztür zum zehnten Stock war schwergängig. Ich zog sie ein kleines Stück auf und spähte in den Flur. Ich konnte den Gang bis zu den Fahrstühlen überblicken. Er war leer. Er war ebenso angelegt wie der im zwölften Stock, nur vor Zimmer 1012 war etwas anders. Dort lag etwas Glänzendes auf dem Boden. Eine dicke Plastikfolie, die sich bis zu den beiden angrenzenden Räumen erstreckte.
Sah aus, als hätte Taylor etwas für seine Gäste vorbereitet.
Ich griff zum Telefon und wählte den Notruf. Eine Telefonistin nahm nach sechs Sekunden ab. Ich ignorierte ihre Frage nach meinem Namen und sagte ihr, dass im Hausgang eines Gebäudes zwei Polizeibeamte überwältigt worden seien. Ich nannte ihr die Adresse des Hauses gegenüber des Swans. Dann legte ich auf, schaltete mein Telefon
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