David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Was denkt er, wenn er diese Nachricht sieht? Wovor hat er Angst?«
» Vor einer Falle. Davor, dass der Mann von Tungsten versucht, sein Werk zu Ende zu bringen.«
» Das könnte sein. Oder?«
» Vor einem korrupten FBI-Mann. Weil er glaubt, dass sein Treffen mit Raab verraten wurde. Er kann nicht wissen, dass Lesleys Mann ihm in die Quere gekommen ist.«
» Stimmt. Also füg diesmal ein paar Details hinzu, die nur du wissen kannst von deinem Bruder. Und sag ihm, dass die Sache mit Raab nicht das war, wonach es aussah, dass es keine Probleme mit dem FBI gibt.«
Tanya tippte auf den kleinen Tasten herum, bis sie mit der Nachricht zufrieden war.
» Gesendet«, verkündete sie. » Ich hasse es, SMS zu schreiben. Hoffentlich antwortet er diesmal.«
Wir warteten ein paar Minuten, ohne dass eine Antwort kam.
» Was nun?«, fragte Tanya.
» Versuch es noch mal. Sag ihm, dass du beim Konsulat arbeitest und ihn, wenn es nötig ist, heil außer Landes bringen kannst.«
» Fertig«, erklärte sie nach einem Augenblick und ließ das Telefon auf Westons Stuhl fallen. » Ich weiß wirklich nicht, was die Teenager daran so toll finden.«
Dreißig Sekunden später erklang ein Geräusch, als würde ein Cartoon-Pfeil auf eine Zielscheibe treffen.
» Das ist er«, sagte Tanya und griff nach dem Telefon. » Siehst du?«
hier ist james. brauche hilfe.
» Sehr gut«, sagte ich. » Weiter. Antworte ihm.«
wo bist du?, schrieb sie.
nyc. in gefahr.
bin auch in ny. geh zum nächsten polizeirevier, wir kommen hin.
keine polizei.
ok. komm ins konsulat. 845 3 rd ave. grand central ist in der nähe. frag nach mir.
nein. zu gefährlich.
» Der ist ja nicht gerade kooperativ«, stellte sie fest.
» Wer Angst hat, braucht das Gefühl, die Kontrolle zu haben«, sagte ich. » Lass ihm die Wahl. Frag ihn, wo er sich sicher fühlt.«
wo dann? kann dir sonst nicht helfen, schrieb sie.
bulldog pub, west 4 th st. weißt du, wo?
finde ich. wann?
heute abend?
ok. uhrzeit?
21 : 00
ok. bis später.
setz dich an die bar. ich finde dich. KOMM ALLEIN!
ok. ich werde ALLEIN sein.
» Ausgezeichnet«, fand ich. » Der Fisch ist am Haken. Jetzt müssen wir ihn nur noch einholen. Dann haben wir etwas Zeit für uns.«
» Freu dich nicht zu früh«, meinte Tanya. » Es kann immer noch eine Menge schiefgehen.«
» Ich wusste gar nicht, dass du so eine Pessimistin bist.«
» Bin ich gar nicht. Ich bin nur skeptisch. Realistisch. Du träumst schon von morgen, während ich mich noch frage, ob wir den beiden Blindgängern von dem Treffen erzählen sollen.«
» Willst du das?«
» Eigentlich nicht.«
» Weißt du, wie Mansell aussieht?«
» Ja. Lucinda hat seine Akte angefordert. Ehrlich gesagt, er sieht dir ein bisschen ähnlich.«
» Könnten wir uns Lucinda für den Abend ausleihen? Damit sie bei mir sitzt, während ich dich im Auge behalte?«
» Mansell wollte eindeutig, dass ich allein komme.«
» Das tust du auch, denn ich bin mit Lucinda da. Pärchen fallen weniger auf. Das FBI würde mit einem Dutzend Typen anrücken, wenn du sie über das Treffen informierst. Wahrscheinlich inklusive Hubschraubern und allem Drum und Dran.«
» Wäre wohl ein wenig zu viel des Guten für ein Treffen mit einem Freund meines Bruders.«
» Eine schockierende Verschwendung von Steuergeldern«, bestätigte ich.
» Und ich würde gerne ihre Gesichter sehen, wenn wir ihnen Mansell morgen früh gesund und munter präsentieren.«
» Besonders wenn er vorher ausgepackt hat, welches krumme Ding in dem Krankenhaus gelaufen ist …«
25
Zu Beginn meiner Ausbildung gab es eine Übung, auf die sich niemand freute: das Verhörtraining, in dem man einer Befragung widerstehen sollte. Es gab zu viele Gerüchte darüber, wie realistisch die Sache sein würde. Aber als der Kursplan verteilt wurde, konnte ich dazu keinen Eintrag entdecken. Ich weiß noch, wie ich mit meinem Zettel in der Hand dasaß, mir jede Kursbezeichnung genau ansah und mich fragte, wo in diesem Jargon sich das Verhörtraining versteckte. Offensichtlich war niemand dumm genug, danach zu fragen.
Auch die Übung nach dem Kühlschrankrollenspiel fand außerhalb statt. Jeder von uns wurde in einer anderen Stadt in Devon abgesetzt und hatte vier Stunden Zeit, um die vollständigen Namen, Adressen und Kontodaten einiger Zivilisten in Erfahrung zu bringen. Wer sie waren, spielte keine Rolle, solange die Informationen stimmten. Das hörte sich recht einfach an. Wir zogen fröhlich los und waren
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