David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Weston ließ den Motor laufen, während Tanya im Gebäude verschwand und kurz darauf mit einem Stapel dicker brauner Umschläge zurückkehrte.
Wortlos stieg sie ins Auto, und niemand sprach, bis wir den Bordstein verlassen hatten und wieder auf der Straße waren.
» Ich rufe den Boss an und sag ihm Bescheid, dass wir kommen«, meinte Lavine und zog das Handy aus der Tasche.
Das Gespräch nahm den Rest des Weges zur FBI-Garage in Anspruch.
» Varley ist nicht da«, erklärte er, nachdem Weston den Wagen ordentlich in die Parkbucht rangiert hatte. » Er muss sich um irgendeine andere Krise kümmern. Wir können uns den Weg nach ganz oben also sparen und gleich im dreiundzwanzigsten Stock bleiben.«
Tanya rückte die Berichte erst raus, nachdem Lavine den Stuhl aus seinem Büro in den Glaskasten zu den anderen gerollt hatte.
» Den ersten Teil können wir überspringen«, erklärte sie, als endlich alle ihre Plastikmappen geöffnet hatten. » Darin geht es um die Festnetzanschlüsse. Die Leute haben zu viele Krimis gesehen, um irgendetwas Unsauberes über einen normalen Telefonanschluss zu regeln. Dafür benutzen sie immer das Handy. Sie meinen, keine Kabel, keine Aufzeichnung. Eine psychologische Fehlleistung.«
» Abschnitt zwei ist nur eine Liste von Telefonnummern«, stellte Weston fest.
» Genau. Wir haben die Nummern aller Tungsten-Handys herausgesucht und uns die Einzelverbindungsnachweise angesehen. Dies ist die Liste aller firmeninternen Handygespräche, von Handy zu Handy oder Festnetz. Alle Handytelefonate, die nicht auf dieser Liste stehen, sind Anrufe an jemanden außerhalb der Firma. Die sind alle in Abschnitt drei aufgeführt.«
» Lange Liste«, bemerkte Lavine.
» Richtig. Darum haben wir sie eingegrenzt. Erst mittels Rückwärtssuche des elektronischen Telefonbuchs, dann mithilfe von Google. Damit fielen fünfundneunzig Prozent der Gespräche raus. Den Rest der Nummer haben meine Leute angerufen. Wenn jemand abnahm, haben sie gesagt, sie seien von der Telefongesellschaft und müssen die Rechnung prüfen. Wenn niemand abhob, versuchten sie es weiter oder bekamen die notwendigen Informationen von der Bandansage. Das war mühsam, aber die Mühe wert. Worauf wir gestoßen sind, steht in Abschnitt vier.«
» Sechs Nummern«, stellte Weston fest. » Bei fünf davon stehen Daten.«
» Die zeigen, wann diese Nummern das letzte Mal von Tungsten angerufen worden sind. Sagen Ihnen diese Daten nichts?«
» Mir schon«, erklärte ich.
» Sie sollten allen etwas sagen. Das sind die Daten, an denen Simon und die vier Amerikaner getötet wurden.«
» Sie alle wurden an ihrem Todestag vom selben Handy aus angerufen«, sagte Weston.
» Genau.«
» Von jemandem, der hinter dem Geld her war«, vermutete Weston.
» Nicht unbedingt.«
» Es muss so sein«, meinte Lavine. » Aber von wem?«
» Das wissen wir nicht. Wir haben nur die Telefonnummer, keinen Namen. Wir haben angerufen, aber es meldet sich niemand.«
» Anrufbeantworter?«, fragte Lavine. » Haben Sie eine Nachricht hinterlassen?«
» Nein, es gab keine Rufumleitung auf die Mailbox.«
» Was ist mit der sechsten Nummer?«, wollte Weston wissen.
» Die kommt mir bekannt vor …«, meinte Lavine.
» Das ist die einzige, die wir nicht zuordnen konnten. Einen Tag nach Simons Tod, aber vor dem Tod von zwei seiner Kollegen wurde sie von Tungsten das letzte Mal angerufen.«
» James Mansells Telefon«, sagte ich.
» Das glaube ich auch. Und das heißt …«
» Dass Mansell ebenfalls tot ist«, sagte ich.
» Oh nein«, widersprach Lavine und ging zur Tür. » Heißt es nicht. Warten Sie einen Moment. Ich muss etwas holen.«
Lavine wühlte über eine Minute auf seinem unordentlichen Schreibtisch herum und kam dann mit einem blauen Haftzettel zurück in den Glaskasten.
» Sehen Sie sich das an!«, verlangte er.
Es war dieselbe Nummer.
» Wo haben Sie die her?«, fragte Tanya.
» Aus Raabs Unterlagen«, antwortete Lavine. » Das ist die Nummer des Kerls, den er am Sonntagabend treffen wollte. An dem Abend, als er getötet wurde.«
» Mike wollte Mansell treffen?«, fragte Weston. » Nein. Wie kann das angehen?«
» Mansell muss von der Ermordung seiner ehemaligen Teamkollegen erfahren haben«, vermutete Tanya. » Ihm wurde klar, dass er in Schwierigkeiten steckt, und er hat Hilfe gesucht.«
» Dass er Hilfe brauchte, verstehe ich, aber wie um Himmels willen ist er bei Raab gelandet?«, wunderte ich mich.
» Das ergibt durchaus Sinn«,
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