David Weber - Honor Harrington 20 - An Bord der Hexapuma
einander widersprachen. Wenn der Wunsch eines liebenden Gottes, alle seine Kinder mögen unter seiner sanften Prüfung wachsen und gedeihen, in einem Universum unvollkommener Menschen mit der unverrückbaren Tatsache kollidierte, dass einige seiner Kinder sterben mussten, damit andere leben konnten. Das, hatte Bruder Albert ihr sanft gesagt, als sie ihm gestand, sie sehne sich nach einer Laufbahn als Raumoffizier, würde zu einem Teil ihrer Prüfung werden, falls ihr Wunsch in Erfüllung gehe. Und, hatte er sie gewarnt, der sei wahrhaft ein glücklicher Krieger, der nie gezwungen wurde, sich der Zweischneidigkeit der Gewalt zu stellen − oder ein Wahnsinniger. Der Verdacht, dass es Zweckdienlichkeit sei und sein eigener Wunsch zu leben, der ihn wahrlich zum Töten trieb, und nicht Moral oder Gerechtigkeit oder auch nur die Verteidigung seiner Familie und seiner Nation. Sondern der selbstsüchtige Wunsch zu überleben, nicht der edle Wille, den Tod zu riskieren für das, woran er glaube.
Bruder Albert hatte recht gehabt. Und während Abigail ihr Handwerk lernte, die beruflichen Voraussetzungen zum Taktischen Offizier erwarb, war ihr deutlich geworden, dass es keineswegs die höchste Pflicht eines Offiziers war, sich einem Feind in ehrenhaftem, offenem Zweikampf zu stellen, sondern ihn zu überraschen. In den Hinterhalt zu locken. Ihn warnungslos in den Rücken zu schießen, ohne ihm Gelegenheit zu geben, sich zu wehren. Denn erhielt er diese Gelegenheit, starben einige ihrer Untergebenen. Und wenn sie ihm diese Gelegenheit bot, ohne dazu gezwungen zu sein, dann trug sie die Verantwortung für diese Toten.
Es war eine bittere Lektion, die Abigail da gelernt hatte, und sie hatte sie intellektuell schon auf Saganami Island akzeptiert. Auf der Oberfläche eines Planeten namens Refuge war diese Erkenntnis in polierten Stahl verwandelt und tief in sie hineingehämmert worden.
Und doch war es hier anders. Die Ungleichheit der Waffentechnik bedeutete, dass es für den Gegner keine Möglichkeit gab, das Feuer zu erwidern. Aber lag darin nicht die Essenz erfolgreicher Taktik? Captain Terekhov war es gelungen, wonach jeder Kommandant strebte: alle eigenen Vorteile zu nutzen, um den Feind angreifen zu können, ohne das Leben der eigenen Leute zu riskieren. Abigail wusste das genau. Und sie wusste, dass Bruder Albert ihr gesagt hätte, die Vaterkirche und, weitaus wichtiger, der Herrgott würde es begreifen. Würde ihr das Blut an ihren Händen vergeben, wenn deshalb überhaupt Vergebung erforderlich wäre.
Doch Gott konnte dem wahrhaft demütigen, reumütigen Herzen alles vergeben. Die Frage, die Abigail Hearns nicht losließ, lautete indessen, ob sie es sich selbst verzeihen konnte.
»Admiral!«
Hegedusic sah von dem Combildschirm auf, der ihn mit dem Waffenoffizier von Alpha Prime verband. Gesprochen hatte wieder der Signaloffizier.
»Sir, wir haben ein Signal aufgefangen. Ich … glaube, es ist von Commodore Horster.«
»Sie glauben es, Lieutenant?« Hegedusic runzelte die Stirn, und der Signaloffizier sah ihn hilflos an.
»Sir, es hat keinen Nachrichtenkopf und trägt keinen ID-Code. Nur ein einziges Wort in Klartext.«
»Und?«, fragte Hegedusic, als der junge Mann schwieg. »Sir, es lautet nur: ›Komme.‹«
28
»Commodore, ich kann für die Zahlen, nach denen Sie fragen, nicht die Hand ins Feuer legen«, sagte der solarische Technodyne-Repräsentant auf der Brücke von MNS Cyclone nervös. Der Mann schwitzte heftig, und so sehr sich Janko Horster es auch wünschte, er konnte den Kerl dafür einfach nicht verachten. Er war schließlich ein Zivilist. Er hatte sich nicht freiwillig zu einem Kampfeinsatz gegen einen technisch überlegenen Gegner gemeldet.
»Das verlange ich auch gar nicht«, erwiderte der Divisionskommandeur. »Ich bitte Sie nur um Ihre beste Schätzung.«
Der Zivilist war ein nervöses Wrack; er zupfte sich beim Nachdenken an der Unterlippe und blinzelte mehrmals.
Am liebsten hätte Horster die Antwort aus ihm herausgeschüttelt, doch dem Mann Beine zu machen war nicht der geeignete Weg, um eine verlässliche Schätzung zu erhalten. Deshalb begnügte sich der Commodore mit einem gepressten Lächeln, legte die Hände auf den Rücken und umschritt rasch sein geräumiges Flaggdeck.
Nach dem Szenario der Einsatzübung sollten die drei Schiffe der Ersten Division − die Cyclone und ihre Schwesterschiffe Typhoon und Hurricane − in die Ortungszone von Eroica Station eindringen und sich auf
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