Davide
überhaupt hier in der Stadt geblieben, anstatt woandershin
zu gehen und die ganz große Karriere zu machen“, wollte er wissen. Es
interessierte ihn brennend.
„Ich
hatte eben nie das Zeug zum Supermodel, da war die Variante mit der
hauseigenen, lebenden Schaufensterpuppe für mich gar nicht so schlecht.“
„Was
heißt hier, nicht das Zeug dazu? Natürlich hast du das! Wenn du es willst, dann
kostet es mich nur ein paar Anrufe und du bist ganz oben mit dabei, egal wo du
willst. Sag nur ein Wort und ich lege los!“
Ihr
Lächeln als Antwort auf seinen Eifer schaffte es nicht bis zu ihren Augen.
„Und
wenn du das nicht willst, dann machst du eben bei mir weiter, du warst
schließlich der Star der letzten Show!“
„Das
ist echt nett von dir, Davide, aber ich glaube nicht, dass das eine so gute
Idee wäre!“
Ihre
Miene hatte sich leicht verdüstert, die unbefangene Sorglosigkeit war wie
weggeweht.
„Warum
nicht?“
„Hast
du den Rotstift schon vergessen, der alle überflüssigen Ausgaben streichen
soll? Das Haus muss Profit machen und zwar flott, da sollen wir Models ganz
schnell über die Klinge springen, wie du ja sicher weißt!“
Dass
sie sich als überflüssige Ausgabe bezeichnete, klang in seinen Ohren ziemlich
ernüchternd.
„Darüber
kann man aber mit Sicherheit noch reden …“
„Wozu?
Ist doch deine eigene Firmenpolitik, oder nicht? Und außerdem hattest du mich bereits
entlassen, falls du dich erinnerst!“, sie lächelte ihn verschmitzt an.
„Was
dich nicht am Weiterarbeiten gehindert hat, also stelle ich dich wieder ein.
Mit sofortiger Wirkung und doppelten Bezügen.“
„Das
ist Unsinn und du weißt es! Ich habe sowieso überlegt, vielleicht damit
aufzuhören, es macht mir keinen richtigen Spaß mehr, weißt du?“
„Was
ist los? Du wolltest es mir erzählen, oder?“ Plötzlich erinnerte er sich wieder
an den kurzen Disput, den sie am ersten Abend in ihrer Garderobe gehabt hatten.
„Weiß
nicht - wollte ich das?“
„Ich
hatte zumindest den Eindruck! Du hattest bei unserem ersten Treffen etwas angedeutet,
erinnerst du dich?“
Sie
musterte ihn eindringlich.
„Na
gut, ich kann’s dir genauso gut auch erzählen. Ich war letzten Samstag ein
wenig geknickt, weil ich am Nachmittag eine alte Freundin besucht habe, eine
frühere Kollegin. War keine so tolle Idee, sie hat eine schwierige Phase hinter
sich …“
Sie
zögerte, schien sich nicht sicher, was sie ihm sagen sollte und was nicht. Als
er sie forschend ansah, erkannte er, dass dieser Besuch sie offensichtlich sehr
mitgenommen hatte.
„Was
ist? Was ist los mit ihr?“
Sie
schluckte und fuhr mit ruhiger Stimme fort, so als sei nichts gewesen.
„Sie
hatte einen Freund, den sie leider zu sehr mochte und einen Vertrag, der leider
nicht verlängert wurde. Naja, wie das eben so ist in unserem Beruf. Sie verlor
den Freund und dann verlor sie den Job, sie begann zu trinken, ging dann auf
Drogen über, jetzt bringt sie gerade ihren Entzug hinter sich. Sie hat es wahrscheinlich
geschafft, aber es war hart!“ Wieder stockte sie und räusperte sich. „Sie hat kurz
nach mir mit dem Modeln angefangen. Ist ganz schön mies, wenn man dabei zusehen
muss, wie jemand, den man kennt, sich zugrunde richtet, weil ein paar Details
zuviel im Leben schief gehen, verstehst du, was ich meine?“
„Ich
glaube schon.“
„Darum
hab ich auch überlegt, aufzuhören. Mein Vertrag wäre sowieso nur noch bis
Jahresende gelaufen, du hast mir vorzeitig gekündigt, ich werde dich auf eine
satte Abfindung verklagen und mich damit zur Ruhe setzen!“ Sie grinste ihn
schief an. „Das war ein Witz!“
„Gar
kein so schlechter“, versetzte er nachdenklich. „Ich könnte verstehen, wenn du diesen
Job an den Nagel hängen willst. Es muss auf Dauer sehr aufreibend sein, aber
was würdest du stattdessen machen?
„Das
ist das Problem – ich weiß es nicht. Vielleicht gehe ich tatsächlich wieder
nach Hause, meine Mutter liegt mir schon lange damit in den Ohren. Ich soll dort
mithelfen, heiraten, Kinder kriegen und endlich ein solides, anständiges Leben
führen.“
„Ein
solides Leben? Du und anständig?“, er lachte hellauf los, „wenn ich eine Frau
kenne, die das Gegenteil von all dem ist, dann bist das du!“
„Ich
weiß, aber mach das mal meiner Mutter klar! Für sie bin ich noch immer ihre
süße Kleine, die zufällig auf die Titelseite eines Modekatalogs gerutscht ist.“
„Gutes
Stichwort – wie bist du da eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher