Davide
vor sich selbst erfasst hatte, dass er seinen eigenen
Anblick im Spiegel fast nicht mehr hatte ertragen können. Beim Gedanken an die
vielen Frauen, die er in den letzten Jahren gedankenlos, gefühllos und ohne
Rücksicht auf irgendetwas konsumiert hatte, hatte sich ihm unaufhaltsam der
Magen umgedreht und er fand sich selber buchstäblich zum Kotzen.
Danach
war nichts mehr so gewesen wie zuvor. Er hatte keine Lust mehr gehabt, unter
Leute zu gehen, er hatte keine Lust mehr gehabt, Frauen zu treffen. Er nahm lustlos
seine Geschäftstermine wahr, doch im Gegensatz zu früher ging er anschließend
nach Hause – allein! Er hatte sich geschworen, bis auf weiteres keine Frau mehr
anzurühren.
Der
Schwur hatte gerade mal zweieinhalb Monate Bestand gehabt, dann war ihm Emma
zugestoßen.
Es
war ein Fehler gewesen, das war ihm jetzt klar. Er wollte um keinen Preis
wieder in sein altes, übles Muster verfallen und da weitermachen, wo er
aufgehört hatte. Und doch hatte er sie abgeschleppt, so wie früher, so als sei
nichts geschehen! Was war er nur für ein Idiot! Wenn er daran dachte, was er
alles getrieben hatte, nur damit sie mit ihm ausging, konnte er nur den Kopf
schütteln. Sie hatte nicht damit angefangen, sie hatte nur die ihr gebotene
Gelegenheit genutzt. Und er hätte sogar die Möglichkeit gehabt, sie ungeschoren
aus seiner Wohnung verschwinden zu lassen, ja er hatte sogar einen Versuch
gemacht, es zu tun. Nur leider hatte Emma da nicht mehr mitgespielt!
Die
Entwicklung, so wie sie heute Abend verlaufen war, sollte ihm doch eigentlich
sehr entgegenkommen – sie war keine schnelle Eintagsfliege gewesen, schließlich
hatte er sich nach dem ersten Mal noch zweimal mit ihr getroffen und sogar ein
Wochenende mit ihr verbringen wollen und nun konnte er sie gehen lassen. Er
konnte dennoch mit Fug und Recht behaupten, dass er seinem Vorsatz treu
geblieben war: sie war kein billiges, kurzes Sexabenteuer gewesen!
Er
war schließlich intelligent genug, alles zu relativieren und gegen sich selbst
zu argumentieren, also konnte er es auch so darstellen, dass er seinen Weg doch
nicht verlassen hatte…
Er
rieb sich die schmerzenden Augen. Verdammt, was war los mit ihm? Er wollte
nicht, dass sie wieder aus seinem Leben verschwand, so als hätte es sie nie
gegeben, das war ihm schon am Nachmittag zuvor unangenehm deutlich bewusst
geworden. Es wurde also Zeit, dass er der Wahrheit auf den Grund ging!
Hatte
er sich etwa tatsächlich in sie verliebt und wollte mehr ?
Sie
hatte ihm binnen weniger gemeinsam verbrachter Stunden völlig den Kopf verdreht
und ihm das Hirn aus dem Schädel gevögelt, das war schon mal klar, und da er
Davide Gandolfo war, kam es für ihn nicht eine Sekunde lang in Frage, mit
irgendjemand anderem zu teilen, und wenn es nur der Anblick ihrer kaum
verhüllten Brüste war.
Aber
mehr?
Da
war tatsächlich noch etwas außer ihrem erregenden, anziehenden Körper und ihrer
teilweise lasziven Art, ihn zu reizen. Er hatte sich anfangs gefragt, was ihm
an ihr gefiel, wo sie doch so anders war als seine üblichen Eroberungen. Es war
genau das: es war ihre Andersartigkeit, die ihn so anzog - sie saß nicht da und
wartete, dass er sie teuer zum Essen ausführte, sie stellte sich an den Herd
und kochte und war dabei alles andere als bieder! Sie ließ nicht sofort alles
stehen und liegen, nur weil er auftauchte, sondern sie tadelte ihn wegen seines
störenden Verhaltens. Sie hatte keine Scheu davor, ihn vielleicht zu
vergraulen, sie war einfach sie selbst und tat und sagte das, was sie für
richtig hielt. Wie lange war ihm das schon nicht mehr untergekommen? Er hatte
keine Ahnung. Normalerweise hätte ihn das stören müssen, das wäre ein absolutes
k.o. - Kriterium gewesen – aber eben nicht bei ihr und nicht mehr
jetzt. Er wunderte sich selber darüber, aber sie erschien ihm genau deshalb so
unsagbar anziehend und begehrenswert, weil sie so war, wie sie eben war und
nicht versuchte, irgendjemandes Erwartungen zu erfüllen.
Er
senkte den Kopf und schämte sich sogar vor sich selbst. Es war klar, dass er
sich absolut unmöglich aufgeführt hatte. Sie kannte ihn nur als notorischen
Aufreißer, sie wusste, dass bei ihm nie etwas von Wert und Dauer gewesen war
und musste sich von ihm maßregeln lassen wie ein Kind!
Davide
Gandolfo war weithin bekannt als rücksichtsloser Egoist und gelegentlich auch
echter Kotzbrocken, aber er war andererseits auch ein kühler Realist, der den
Tatsachen ins Auge sehen konnte,
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