Davide
Sie hatte zum Glück außerdem noch immer einen kleinen
Vorrat an Kleidung zu Hause bei ihren Eltern und musste daher nicht in den Sachen
zur Arbeit erscheinen, in denen er sie am Freitag abgeholt hatte.
Davide
war schnell, zumindest schneller als sie, daher schaffte er es tatsächlich, sie
so frühzeitig an den Ort der Fotoaufnahmen zu bringen, dass sie sogar noch Zeit
hatten, in einer der kleinen Bars vor Ort zu frühstücken.
Auf
der Fahrt dorthin hatten sie nicht viel gesprochen. Emma schien etwas schläfrig
zu sein, hielt die Augen halb geschlossen oder sah auf ihrer Seite aus dem
Fenster. Davide fragte sich inzwischen, ob dieses Gefühl der Nähe, das er vor
dem Einschlafen mit ihr im Arm gehabt hatte, vielleicht nur Einbildung gewesen
war. Heute schien sie wieder so weit entfernt von ihm wie letzten Sonntag, als
er sie in ihrer Wohnung aus dem Bett geworfen hatte und sie kratzbürstig und
abweisend gewesen war.
So
schaffte er es auch beim Frühstück nicht, sie noch ein wenig aufzumuntern. Er
wollte nicht in sie dringen und kurzzeitig überlegte er, ob sie wohl nervös und
angespannt war wegen ihrer Arbeit. Sie trank schweigend ihren Cappuccino. Mehr
wollte sie sich nach diesem Wochenende nicht zugestehen, wie sie sagte. Sie
hatten wenig geschlafen und er fand tatsächlich, dass sie müde aussah.
Als
er ihr das sagte, schenkte sie ihm ein blasses Lächeln.
„Dafür
gibt es bekanntlich Maskenbildner. Und dazu noch jede Menge Bildbearbeitungsprogramme!
Wenn du wüsstest, wie wir oft aussehen und was ein guter Fotograf im Nachhinein
am Computer aus den Fotos machen kann, du würdest dich wundern!“, klärte sie
ihn nüchtern auf.
Schließlich
war es so weit und er musste sie gehen lassen.
Er
blieb noch sitzen und sah ihr nach, als sie über die Straße ging. Die Villa war
von hier aus nicht zu sehen, er hatte ihrem Drängen nachgegeben und das
verräterische Auto außer Sichtweite geparkt. Einen Moment lang fragte er sich,
ob sie da nicht etwas übertrieb, doch andererseits war das hier ihr Leben und zumindest
eine Weile würde sie das auch noch weiterhin führen.
Emma
blieb geistesabwesend, auch als sie bereits in ihrer improvisierten Garderobe
im Dachgeschoss saß.
Sie
hatte bereits angefangen, sich herzurichten, als Simonetta zu ihr kam, um
weiterzumachen. Wortlos ließ sie die Visagistin an sich herumzupfen, sich an
den Haaren rupfen, mit Schminke betupfen und alle die üblichen Verrichtungen an
sich vollziehen, die es brauchte, um aus ihr ein gefälliges Gesicht ohne Ecken
und Kanten zu machen, dem man alles überziehen konnte, was zu verkaufen war. Da
sie sich den kleinen Raum mit noch zwei anderen Mädchen teilen musste, wunderte
sie sich nicht, dass Simonetta so tat, als sei nicht das Geringste geschehen,
was irgendwie außergewöhnlich war. Allerdings war ihr klar, dass das wohl nur
die Ruhe vor dem Sturm war und dass ihre Kollegin wahrscheinlich vor Neugier
platzte.
Sie
sollte recht behalten.
Als
sie in einer ihrer kurzen Pausen einen Moment lang alleine vor ihrem
Schminkspiegel saß, kam Simonetta erneut zu ihr. Sie musste sie abgepasst haben
um zu wissen, wann sie sie ungestört erwischen würde.
„Na,
wie war dein Wochenende?“, wollte die Visagistin wissen und es klang, als hätte
sie den Satz geübt, um nicht allzu neugierig zu klingen.
„Schön,
ich war bei meinen Eltern“, Emma nahm einen Schluck Wasser und fixierte ihr
Gegenüber.
Simonetta
schien irritiert.
„Bei
deinen Eltern? Das ganze Wochenende?“
„Ach
weißt du, Simo, lass uns doch mit diesem heuchlerischen Getue gar nicht erst
anfangen! Du weißt so gut wie ich, dass ich das Wochenende mit Gandolfo verbracht
habe, schließlich hast du mich persönlich am Freitag in sein Auto geschleift!
Also tu nicht so ahnungslos, du kennst die Geschichten über ihn schließlich genauso
gut wie ich, oder?“
Simonetta
zuckte unwillig die Achseln.
„Ja,
ja, schon gut! Aber wart ihr wirklich das ganze Wochenende zusammen? Ich meine
– das macht er doch sonst nie!“ Sie nahm eine Puderquaste in die Hand, tat so,
als hätte sie an Emmas Make-up etwas zu korrigieren und kam näher an sie heran.
„Ich will hier auch nicht so laut reden, weißt du, erstens haben die Wände hier
Ohren und zweitens zerreißen sich die Mädchen schon seit der Abfahrt aus
Bologna die Mäuler, weil du nicht mit im Bus warst. Deinen Abflug am Freitag
hat ja auch jeder mitgekriegt!“
„Logischerweise!
Unauffällig war das nicht gerade. Aber
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