Davina
neben dem Arbeitszimmer des Botschafters. Elizabeth Coles Vorgesetzter war bei ihm.
»Wir haben einen neuen Treffpunkt mit dem Kontaktmann der Tochter vereinbart«, sagte dieser. »Die größte Buchhandlung in Moskau, am Roten Platz. Er geht einmal alle vierzehn Tage dorthin, um die bestellten Bücher abzuholen. Das nächste Mal am Donnerstag. Er hat diese Gewohnheit unabhängig von seinen Treffs mit Lizzie Cole beibehalten. Es wäre nicht gut, daran jetzt etwas zu ändern. Sie gehen am Donnerstag Punkt drei Uhr in diese Buchhandlung und bestellen eine Ausgabe von ›Schuld und Sühne‹ in der englischen Übersetzung. Sie sagen, Sie brauchten den Band, um das Buch ins Russische zurückzuübersetzen. Ihre Kontaktperson wird sich in der Nähe des Ladentisches aufhalten und Sie an der Erwähnung des Buchtitels erkennen. Das Buch ist nicht vorrätig, das haben wir geprüft. Ihr Kontaktmann wird Ihnen den Rat geben, es sich an der Universität auszuleihen. Daran erkennen Sie, daß es der richtige Mann ist. Er wird sich von Ihnen abwenden, und Sie sehen sich die verschiedenen Bücherregale an. Sobald Sie beide außer Sichtweite sind, gibt er Ihnen seine Meldung. Alles klar?«
»Vollkommen klar, vielen Dank«, sagte Jeremy. »Wie komme ich zum Roten Platz? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln?«
»Nein, Sie gehen zu Fuß«, lautete die Antwort. »Fangen Sie schon heute an, Spaziergänge in der Stadt zu unternehmen. Besuchen Sie das Kreml-Museum. Das lohnt sich sowieso. Wandern Sie bis zum Roten Platz und schauen Sie sich die Sehenswürdigkeiten an – das Lenin-Mausoleum, die Zarenglocke, die Basilius-Kathedrale. Sie haben doch eine Sekretärin – nehmen Sie sie mit. Sie soll Ihnen die Sehenswürdigkeiten zeigen. Man wird Sie natürlich beschatten, deshalb tun sie so, als interessierten Sie sich für alles Sehenswerte, auch wenn es Sie kalt läßt.«
Spencer-Barr machte ein erstauntes Gesicht. »Ich freue mich schon darauf«, sagte er. »Ich finde Moskau ist eine faszinierende Stadt.« Er schien sich der Herablassung in seinem Tonfall gar nicht bewußt zu sein. Der Ältere sah ihn durchdringend an.
»Warum besuchen Sie dann nicht Lenins Mausoleum? Sie brauchen nur vier Stunden Schlange zu stehen.« Er sah den jüngeren Mann lächeln, als ob er etwas Lustiges gesagt hätte. Er fand den Mann auf Anhieb unsympathisch.
»Ich glaube, so weit werde ich es nicht treiben«, sagte Jeremy. »Ich bin am Donnerstag in der Buchhandlung. Um drei in der Abteilung für Übersetzungen. Wissen wir, wie die Kontaktperson aussieht?«
»Ich habe den Mann nie gesehen«, lautete die Antwort. »Aber er ist unser einziger Kontakt mit der Tochter. Er ist Dozent an der Universität. Eine Folgegruppe jener Gruppe von Dissidenten, die in Helsinki Menschenrechtsverletzungen angeprangert haben. Die armen Teufel sind alle entweder tot oder eingesperrt. Sie arbeiten ganz anonym, sie treten nicht an die Öffentlichkeit, weil sie mit keinerlei Toleranz rechnen können, sondern sofort verhaftet würden. Deshalb arbeiten sie im Untergrund mit den westlichen Botschaften zusammen, hauptsächlich mit der unseren und mit der amerikanischen. Sie liefern Informationen über Verhaftungen und Akte illegaler Unterdrückung. Manchmal auch mehr als das. Sie werden verstehen, daß diese Leute durch ihre Tätigkeit noch gefährdeter sind, als es Menschen wie Scherensky und Belezky waren. Wenn sie erwischt werden, wird man sie wegen Spionage vor Gericht stellen. Und das bedeutet die Todesstrafe.«
»Aber sie treiben doch Spionage, nicht wahr?« sagte Spencer-Barr. »Sie geben Informationen an uns und an die Amerikaner weiter. In welchem Verhältnis steht dieser Mann zur Tochter? Steht sie den Regimegegnern positiv gegenüber?«
»Sie liebt ihre Mutter, die in der Lubjanka sitzt«, sagte er. »Und sie hat große Angst, eines Tages selbst dort zu landen. Das stand in Lizzies letzter Meldung von Daniel. Das ist sein Deckname, wie Sie wissen. In der Löwengrube: in mehr als einer Beziehung. Alle unsere Informanten aus dem Kreis der Dissidenten haben Propheten als Decknamen. Dieser Name schien uns besonders sinnig, und es ist der Name, den er Ihnen gegenüber benutzen wird.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Jeremy verbindlich. »Ich habe mir alles fest eingeprägt. Ich werde meine Stadtrundgänge sofort beginnen. Hat meine Sekretärin irgendeine Ahnung, daß ich mehr als nur Michael Barkers Nachfolger bin?«
»Keineswegs. Deshalb verhalten Sie sich ihr gegenüber völlig
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