Davina
ausstiegen, auf sie warten. Davina hatte ein Foto der Frau gesehen und wußte, wie sie gekleidet sein würde. Sie hatte sich das Bild im Sprachzentrum fest eingeprägt.
Auf dem Rückweg zum Hotel blieb Harrington vor dem Handtaschengeschäft stehen.
»Lassen Sie uns hineingehen und fragen, wieviel die Tasche kostet«, schlug er vor.
Sie wollte ablehnen, aber er war schon eingetreten, und sie mußte ihm folgen. Er betrachtete die braune Handtasche und das Halstuch, die sie so bewundert hatte.
»Peter«, flüsterte sie. »Seien Sie nicht so dumm – ich kann doch eine solche Tasche nicht in den Osten mitnehmen. Sie ist offensichtlich hier hergestellt worden!«
»Der Handel geht hin und her«, sagte er. »Sie können sie bei einem Besuch im Westen gekauft haben. Jedenfalls gefällt sie Ihnen, und ich möchte Ihnen ein Geschenk machen. Deshalb seien Sie ruhig und halten Sie den Mund!« Er zahlte, und Davina erschrak bei dem Preis.
»Packen Sie das Halstuch nicht ein«, sagte er zu der Verkäuferin. »Meine Frau wird es gleich umlegen.«
»Sie sind verrückt«, sagte sie, als sie wieder draußen waren. »Aber beides ist entzückend. Ich danke Ihnen sehr – es war wirklich ganz reizend von Ihnen.«
»Nur ein Zeichen meiner Wertschätzung«, bemerkte er grinsend. »Die Farben stehen Ihnen. Kommen Sie, wir wollen unsere letzte Nacht in der Freiheit mit einem verdammt guten Essen und einer Flasche Wein festlich begehen. Vielleicht trinke ich sogar ein Glas mit.«
»Das könnten Sie ruhig tun«, gab sie zurück. Diesmal nahm sie seinen Arm, bis sie den Hoteleingang erreicht hatten.
Sie aßen im Feinschmeckerlokal ›Maître‹ zu Abend. Das ausgezeichnete deutsche Essen wurde durch einen hervorragenden Rheinwein ergänzt. Peter Harrington erzählte einen Witz nach dem anderen und redete nichts als Unsinn. Seit ihrer Ankunft in Berlin hatten sie kein Wort englisch mehr miteinander gesprochen. Er hielt sein Versprechen und nippte nur an dem Wein. Sie fühlte sich fast ein wenig schwindlig, als sie in die warme Abendluft hinaustraten; er fand ein Taxi, das sie ins Hotel zurückbrachte. Sie hatten ein Doppelzimmer. In der vorigen Nacht war es zu keinerlei peinlichen Situationen gekommen. Davina war innerlich zu angespannt, um darauf zu achten, wer als erster ins Badezimmer ging oder um irgendwie auf Harringtons scherzhafte Bemerkung zu reagieren, sie sollten ihre Rollen eigentlich auch praktisch durchspielen.
An diesem Abend war es anders. Der Wein war ihr zu Kopf gestiegen, sie fühlte sich gelöst und empfand eine gewisse Zuneigung für ihn. Die teure Handtasche lag auf der Kommode, das Halstuch Marke ›Hermes‹ war sauber zusammengefaltet. Es war großzügig von ihm gewesen, ihr ein solches Geschenk zu machen. Sie war es nicht gewöhnt, Geschenke zu bekommen. Sie zog sich zuerst aus, putzte sich die Zähne besonders sorgfältig und verzog vor dem Badezimmerspiegel das Gesicht zu einer Grimasse.
»Guten Abend, Frau Jäger. Das ist ja ein ganz neuer, weißer Schnurrbart, den Sie da tragen.« Sie begann zu kichern.
Er hatte seinen Morgenmantel an, als sie herauskam. »Worüber haben Sie denn gelacht?«
»Ach, nichts. Über etwas ganz Lächerliches. Der Wein ist mir wirklich zu Kopf gestiegen. Ich habe morgen bestimmt einen Kater.«
»Macht nichts«, sagte er. »Dann werden Sie erst recht wie eine Ostdeutsche aussehen.«
Er schlug die Bettdecke für sie zurück.
»Steigen Sie ein. Ein Gutenachtkuss?«
Als er versuchte, ihre Lippen zu öffnen, schob sie ihn von sich. »Nein, Peter. Tut mir leid.«
Er war nicht hartnäckig. Er ließ sie sofort los.
»Schade«, sagte er. »Schade, daß der Russe mir zuvorgekommen ist. Ich mag Sie nämlich immer lieber, wissen Sie. Schlafen Sie gut.«
Er drehte das Licht an. Sie schlief sofort ein. Sie träumte zusammenhanglos und sehr unruhig. Sie wachte auf, ihr Herz hämmerte, und sie verspürte eine Angst, die aus einem Alptraum resultierte, an den sie sich nicht mehr genau erinnern konnte. Ostberlin. Dann Russland. Der mit Peter Harrington verbrachte Tag war eine Flucht vor der Wirklichkeit gewesen. Sie hatten so getan, als seien Sie Touristen, und es sich gut gehen lassen wie Kinder, die für einen Tag die Schule schwänzen. Der neue Tag dagegen war durchaus real, und als sie so in der Dunkelheit wach im Bett lag und ihr nur noch zwei Stunden bis zum Tagesanbruch blieben, begann Davina Graham sich zu fürchten.
Jeremy Spencer-Barr befand sich in dem abhörsicheren Raum
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