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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Es war ein von der sowjetischen Botschaft gestempeltes Visum, das zum Besuch des Badeortes Livadia an der Schwarzmeerküste berechtigte. Sie legte Visum und Paß in ihre Handtasche.
    Frieda stand auf. »Ich begleite Sie beide jetzt zum Bus. Wir steigen gemeinsam ein, und ich steige bei der dritten Haltestelle wieder aus. Sie fahren weiter, bis Sie zum Abfertigungsgebäude gelangen; von dort nimmt Sie ein Zubringerbus zum Flugplatz mit. Ihre Maschine startet um neun Uhr.«
    »Was sind das für Leute, die unsere westdeutschen Pässe übernehmen?« fragte Davina.
    »Keine Angst«, sagte die Frau. »Auch wenn sie geschnappt werden sollten, wissen sie nichts von Ihnen. Ich bin der einzige Mensch, der Sie kennt. Wenn ich bis heute abend nicht das Signal erhalten habe, daß sie den Westen erreicht haben, tauche ich für ein paar Wochen unter, bis die Luft wieder rein ist oder wir wissen, was passiert ist. Aber machen Sie sich darüber keine Sorgen. Wir haben diese Durchschleusung schon Dutzende von Malen durchgeführt, und sie hat jedes Mal geklappt. Los, wir müssen jetzt gehen.«
    Sie folgte ihnen hinaus auf den schmalen Gang und war wieder ganz die alte Schnatterliese, die unentwegt plauderte und sie geschäftig am Hausmeister vorbeibugsierte. Sie blieb einen Augenblick stehen und hängte sich an Davinas Arm.
    »Ich habe einen so reizenden Besuch gehabt«, sagte sie zum Hausmeister. »Und jetzt nehmen sie mich zu Kaffee und Kuchen ins Brümmerhaus mit – und der Schokoladenkuchen, den sie dort haben …«
    Sie gingen die Straße entlang. An der Bushaltestelle hatte sich eine kleine Schlange gebildet; bevor sie sich anstellen, flüsterte Frieda: »Hals- und Beinbruch« – dann trennte sie sich von ihnen.
    Es war sehr warm; die Männer trugen die Hemden mit offenen Kragen, die Frauen bunte Baumwollkleider. Niemand sprach. Als der blau-weiße Bus hielt, stiegen alle ein und setzten sich. Frieda fand einen Sitz weiter vorn; sie sah Harrington und Davina nicht an. Sie stieg nach drei Haltestellen wieder aus, und das letzte, was sie von ihr sahen, war eine Gestalt, die mit vorgeneigtem Kopf dahineilte, als müsse sie gegen den Wind kämpfen. Das Flughafengebäude von Schönefeld bildete ein Statussymbol für die Ostdeutschen; es war einfallsreich und mit einem Gefühl für Stil und Eleganz erbaut worden. Damit stand es in deutlichem Gegensatz zu den eintönigen Zweckbauten, die den übrigen Teil der Stadt kennzeichneten. Harrington sah auf seine Armbanduhr; sie war, ebenso wie Davinas Garderobe und alle sonstigen Ausrüstungsstücke, in Deutschland hergestellt.
    »Unser nächster Treff findet in der Selbstbedienungsbar im ersten Stock für Auslandsflüge statt«, sagte er. »Wir haben noch etwas Zeit; ich würde gern etwas essen, du nicht?«
    Davina schüttelte den Kopf.
    »Ich habe keinen Hunger«, sagte sie. »Hier herrscht eine gräßliche Atmosphäre. Warum müssen wir in die Cafeteria gehen? Treffen wir dort noch jemanden?«
    »Eigentlich nicht.« Ganz kurz erschien wieder sein altes, freches Grinsen. »Wir sind mit einem Tagesausweis nach Ostberlin gekommen; wir fliegen in den Urlaub auf die Krim. Wir brauchen Gepäck, meine liebe Gertrude. Große Güte, was hat man dir für einen Namen gegeben. Den werde ich mir nie merken können. Helga war gar nicht so schlecht.«
    »Ich mußte immer an Helga, die Hyäne denken«, sagte sie und kicherte nervös. »Ich traue mich nicht, hier zu lachen – es könnte als Verbrechen gelten. Alle sehen so mürrisch und mißmutig aus.«
    »Das Leben im Arbeiterparadies ist kein Spaß«, sagte er. »Ich wünschte nur, daß man einige unserer intellektuellen Sympathisanten ohne Ausreisevisum für ein Jahr herschicken würde. Vielleicht würden sie dann die korrupte, alte Demokratie in einem neuen Licht sehen … Hier sind wir.«
    Die Cafeteria lag oben an einer Rolltreppe. Viele Menschen standen Schlange am Selbstbedienungsbüffet. Harrington nahm ein Tablett; er wählte ein Sandwich mit Leberwurst, ein Stück Apfeltorte und zwei Tassen Kaffee. Nachdem er an der Kasse bezahlt hatte, blieb er einen Augenblick stehen; es war nur ein kurzes Zögern, bis er sich orientiert hatte. Dann begab er sich, mit Davina im Gefolge, zu einem Tisch neben dem Mittelgang. Dort saß ein Mann und las das ›Neue Deutschland‹. Peter setzte das Tablett ab und rutschte neben den Mann, der seine Zeitung einige Zentimeter senkte und wegen der Störung ein unwirsches Gesicht machte. Davina nahm ihren Kaffee;

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