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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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vor der Festnahme bewahrt. Glaub nur nicht, ich hätte es deshalb getan, weil du mit mir geschlafen hast. Ich kann jedes Mädchen haben, das mir gefällt.«
    Irina drehte sich um und öffnete den Fensterriegel. Das Fenster ging auf.
    »Wenn du hinausspringst«, sagte Wolkow, »ist Poliakow binnen einer Stunde in der Lubjanka. Statt deine Mutter in einem Arbeitslager festzuhalten, werde ich sie zurückbringen und verhören lassen … sehr hart verhören lassen, wie deinen Dozenten … und dessen Freunde.«
    Er blieb auf dem Sofa sitzen; er legte ein Bein über das andere und bewegte die Fußspitze hin und her. Irina Sasonowa machte das Fenster wieder zu und verriegelte es. Dann drehte sie sich um und sah ihn an. »Was verlangst du von mir?« sagte sie.
    »Ich will, daß du in Urlaub auf die Krim fährst«, antwortete Wolkow. »Ich werde dir den Reiseausweis besorgen. Ich will, daß du dich weiterhin mit deiner Kontaktperson Poliakow triffst. Ich will, daß du genau das tust, was der britische Geheimdienst dir aufträgt. Und gleichzeitig wirst du das tun, was ich dir sage.«
    Nach einer Pause fügte er hinzu: »Komm her.«
    Sie kam, und er zog sie neben sich auf das Sofa. Er schob die Hand in ihre Bluse.
    »Aha«, sagte er. »Du hast richtiges Herzklopfen! Ist es bloß Angst? Oder auch Hass? Das spielt keine Rolle. Ich bin der einzige Freund, den du noch hast. Eines Tages wirst du mich noch lieben …«
    Irina fand wieder eine Nachricht in ihrer Arbeit, als sie die Blätter gemeinsam mit den anderen Studenten abholte. Der Zettel war mit Klebestreifen an der mittleren Seite befestigt. »Ich erwarte Sie heute abend um neun am Ende der Uspenskaja-Brücke.« Sie spülte den Papierschnitzel in der Toilette hinunter und rief Wolkow vom öffentlichen Fernsprecher der Universität an. Am Abend nahm sie einen Bus zur Uspenskaja-Brücke und traf um neun Uhr Alexei Poliakow. Er nahm ihren Arm, und sie wanderten langsam über die Brücke, die das breite, gelbliche Wasser der Moskwa überspannte. Ehepaare ergingen sich am Flussufer; russische Kinder durften so lange wie ihre Eltern aufbleiben. Einzelne Gruppen paddelten im Wasser herum, veranstalteten Rennen, und ihr Gelächter hallte in der Abendluft wider.
    Irina hatte ihre Sandalen ausgezogen; sie ging barfuss über den weichen Sand, und das Schuhwerk pendelte langsam an ihrer linken Hand hin und her. Er fand ein verstecktes Plätzchen, das hinter Buschwerk verborgen lag. Sie setzten sich nieder, und er legte den Arm um sie. Irina schloß die Augen und lehnte sich an ihn. Sein Körper war warm, und er hielt sie sanft umschlungen. »Ich liebe ihn«, wisperten ihre Gedanken. »Ich liebe ihn. Ich kann's nicht tun.« Sie richtete sich auf und löste sich von ihm. Angesichts seines ernsten und besorgten Gesichtsausdrucks kamen ihr die Tränen, und sie warf sich ihm in die Arme. Sie küssten sich wild, denn sie hatten das Gefühl, daß jeder des anderen dringend bedurfte … Und dann sagte sie es ihm. Sie lagen eng aneinandergeschmiegt hinter dem schützenden Buschwerk, während der Himmel über ihnen dunkelte, die Sterne herauskamen und niemand mehr am Ufer zu sehen war.
    »Er weiß alles«, flüsterte sie. »Über dich und die Krim, über meinen Vater. Und er verlangt von mir, daß ich mich vor dir und den Menschen, die mir helfen, verstelle, während er zusieht und an den Fäden zieht. Ich soll meinen Vater veranlassen, nach Russland zurückzukehren. Das hat er mir gesagt. Fahr auf die Krim, tue, was der britische Geheimdienst dir aufträgt, und ich werde dir sagen, was du dann zu tun hast. Und er behält meine Mutter als Faustpfand in der Hand. Wenn ich nicht tue, was er von mir will, geht sie nach Kolyma. Und du wirst verhaftet. Er sagte: ›Dein Dozent und dessen Freunde …‹« Sie erschauerte, und Poliakow drückte sie fester an sich.
    »Was soll ich tun? Wenn mein Vater meinetwegen zurückkehrt, wird Wolkow ihn festnehmen – und er wird dich nicht in Frieden lassen, wenn ich getan habe, was er von mir verlangt. Und dann ist da meine Mutter – o Gott, manchmal habe ich das Gefühl, ich sollte mich lieber umbringen!«
    »Nein«, bat der junge Mann, »sag nie wieder so etwas …«
    »Ich habe am Fenster in unserer Wohnung gestanden«, fuhr Irina fort, »ich wollte hinunterspringen. Er wußte es; er sagte bloß, wenn ich es täte, dann würde er dich in die Lubjanka bringen und meine Mutter zum Verhör zurücktransportieren lassen. Er meinte, er würde euch beide

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