Davina
den Kopf.
»Die Tochter soll am 25. in Livadia sein und noch am selben Tag von dort abreisen. Im Augenblick habe ich keine weiteren Einzelheiten, aber sie muß einen Ausweis für Livadia bekommen. Treten Sie in Kontakt mit ihr und machen Sie ihr unmissverständlich klar, daß sie zu diesem Termin auf der Krim sein muß. Wir treffen uns in zwei Tagen in der Buchhandlung, dann werde ich Ihnen das Neueste sagen können.« Poliakow betrachtete ihr Spiegelbild in dem gläsernen Schaukasten, der zum Schutz des Modells aufgestellt war. »Das sind noch sieben Tage«, murmelte er. »Was passiert, wenn sie nicht rechtzeitig dort sein kann?«
»Dann kommt sie nicht raus«, sagte Spencer-Barr kurz. »Sie muß den Ausweis unbedingt bekommen. Wie sind Sie mit ihr vorangekommen?« Der Dozent errötete.
»Ich habe sie nicht mehr gesehen«, sagte er. »Ich spreche morgen mit ihr.«
Er drehte sich um und ging davon. Jeremy sah ihm in dem Spiegelglas nach, bis er den Raum verlassen hatte. Dann verbrachte er die nächste Stunde mit einem Rundgang durch die Ausstellung. Die Naturwissenschaften hatten stets zu seinen besten Fächern gehört.
Die Postkarte lag in ihrem Brieffach in der Eingangshalle des Hotels. Davina sah die Karte und zupfte Harrington am Arm. Er sagte rasch: »Ich habe sie gesehen. Wir holen uns unseren Schlüssel und nehmen die Post einfach mit.«
Der Zimmerschlüssel und die Postkarte wurden ihnen von der Angestellten beim Empfang ausgehändigt. Sie wirkte nicht so mürrisch wie das übrige Hotelpersonal. Sie sprach ganz gut deutsch und bot an, eine Busfahrt oder einen Bootsausflug an der Küste zu arrangieren. Peter sagte, sie verbrächten ihre Zeit lieber am Strand oder mit Spaziergängen in den für das Publikum zugänglichen Teilen des Kurorts.
Sie waren gerade vom Baden hereingekommen. Die Sowjets waren gegen knappe Bikinis und mochten es nicht, wenn man in kurzen Shorts und BH-Oberteilen herumlief. Die Strände mit ihren Strandkörben und den Bänken auf den Promenaden hatten etwas Altmodisches an sich. Davina mußte dabei an ihre Besuche in Brighton und Hove während ihrer Kindheit denken. Harrington sah fit und erholt aus. Sie dagegen holte sich schnell einen Sonnenbrand, wenn sie nicht aufpasste. Er hatte sie damit geneckt, weil sie rosarot und sommersprossig geworden war, das Rot ihrer Haare wirkte in der Sonne noch intensiver.
Er warf einen Blick auf die Postkarte und gab sie ihr in die Hand. »Von deiner Tante Frieda«, sagte er.
Davina sah, daß die Angestellte beim Empfang sie beobachtete, während sie so tat, als sortiere sie die Zimmerschlüssel. Sie hatte die Postkarte bestimmt gelesen. Davina las den bedeutungslosen, handschriftlichen Text. »Hoffentlich habt Ihr einen schönen Urlaub. Trudi heiratet am 25. Wir sind alle mit den Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt. Schickt uns auch mal eine Ansichtskarte. Herzliche Grüße von allen, Frieda.«
Sie gingen die Treppe zu ihrem im ersten Stock gelegenen Zimmer hinauf. Es hatte einen hübschen Blick auf die Küste. Harrington streckte die Hand nach der Postkarte aus. Sie gab sie ihm. Er setzte sich aufs Bett und zog ein Notizbuch aus seiner Jacke. Er schlug es auf der Kalenderseite auf und begann, über die handschriftlichen Zeilen etwas niederzuschreiben. Er brauchte dazu nur fünf Minuten; dann gab er ihr die Karte zurück. Die entschlüsselte Nachricht lautete: »Die Tochter wird Euch am 25. erreichen. Ihr fahrt am selben Tag weiter. Weitere Weisungen folgen.«
Sie nickte, und er nahm ihr die Karte wieder ab. Er zündete eine Ecke mit dem Feuerzeug an, bis sie in Flammen aufging und sich einbog. Sie brannte im Aschenbecher aus, worauf Harrington die Überreste im Waschbecken wegspülte und die Brandmale vom Aschenbecher abwischte. Dann wusch er das Waschbecken aus und ließ das Wasser einige Zeit laufen, um den Abfluss zu säubern.
»Der 25.«, sagte er. »Das ist ein Samstag. Ein guter Tag für eine Hochzeit. Es wird allmählich Zeit, daß Trudi eine Familie gründet.«
»Schade, daß wir nicht dabeisein können«, sagte Davina. »Aber es geht nicht. Hast du schon Lust, etwas essen zu gehen?«
»Ich möchte zuerst ein Bier trinken«, sagte er. »Beeil dich, wenn du dich umziehen willst. Dann gehen wir gleich los.«
Sie verbrachten möglichst viel Zeit außerhalb des Hotels und ihres Zimmers. Es war zwar unwahrscheinlich, daß sie abgehört wurden, aber Harrington sagte, in allen Intourist-Hotels seien Mikrofone eingebaut, und das ganze
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