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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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besuchen, weil ich erklärte, ich hielte ihn unter Beobachtung. Dann unterschrieb er die Deklaration, in der die Verletzung der Menschenrechte in der Sowjetunion angeprangert wurde. Er und Scherensky und Bokow. Du weißt, was mit ihnen geschehen ist. Er hat sich selbst das Todesurteil gesprochen. Als er verhaftet wurde, versuchte ich, ihm zu helfen. Ich suchte ihn auf, versuchte ihn zu überreden, ein Schuldbekenntnis abzulegen, um Gnade zu bitten. Alles, was sie brauchten, war das öffentliche Geständnis, er habe sich geirrt.« Er hielt inne, und Davina fiel auf, daß er ›sie‹ sagte, als er von Belezkys Richtern sprach. Das war der Zeitpunkt gewesen, als er mit seinen Kollegen vom KGB brach.
    »Er tat es nicht«, sagte sie, »er beging Selbstmord.«
    Sie fühlte, wie Sasonow zusammenzuckte. »Er wurde zwei Monate vor dem Prozess in eine Nervenheilanstalt geschickt – dort lautete die Diagnose: Geistesverwirrung.« Sie fühlte die angespannten Muskeln in seinem Arm und in seinem Körper.
    »Er hat sich nicht umgebracht«, meinte er, »sie haben ihn getötet. Nach den vielen Elektroschocks bekam er einen Herzanfall und starb.«
    »Mein Gott«, flüsterte sie, »wie entsetzlich.«
    »Jacob hatte noch Glück«, meinte Sasonow. »Scherensky und Bokow sind immer noch in der Anstalt. Sie werden nie mehr herauskommen. Die anderen wurden alle nacheinander verhaftet. Man warf Jacobs Frau ärztliche Kunstfehler vor und verurteilte sie zu zwölf Jahren Gefängnis. Ich weiß noch, wie ich mich damals in unserer Küche umsah und überzeugt war, wir würden sie nie wieder sehen. Keine Streitgespräche mehr, keine gemeinsamen Abende. Da hatte Jacob gewonnen. Er mußte sterben, um mir die Augen dafür zu öffnen, daß er recht gehabt hatte.«
    »Es tut mir leid.« Sie berührte sein Gesicht. Seine Wange war feucht. »Es tut mir so leid. Ich wußte nicht, daß alles so schlimm war.«
    »Du wirst deinem Chef eine Menge zu erzählen haben«, fuhr er fort.
    »Bitte, sag so etwas nicht – bitte.«
    »Es ist mir egal«, sagte er. »Ich begreife. Ich wußte, was ich tat, als ich dich bat, mich mit in dein Bett zu nehmen. Ich war am Ende. Ich brauchte dich, Vina.«
    »Das freut mich«, sagte Davina, »das freut mich wirklich. Und ich werde alles tun, was ich kann, um dir zu helfen.«
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte er. »Hier bleiben, ein neues Leben anfangen … Ich denke an Russland und meine Familie, und hier komme ich mir wie auf dem Mond vor.«
    »Warte bis morgen früh«, flüsterte sie, »denk nicht darüber nach.«
    »Der Morgen ist schon da«, antwortete er, »schau, es dämmert bereits. Es ist fünf Uhr. Du wirst heute müde sein. Ich muß gehen, damit du schlafen kannst.« Sie richtete sich gegen ihn auf. Die Bettdecke war zurückgefallen, und er sah sie an. Er zeichnete mit dem Finger die Umrisse ihrer Brust nach.
    »Du hast einen wunderschönen Körper«, sagte er. Sie legte ihm die Hand auf die Brust; er hatte dichte, drahtige Haare, die unter seiner Kehle spitz zuliefen. Sie zupfte an einer Strähne.
    »Ich hatte geglaubt, du hättest dich in meine Schwester verliebt«, meinte sie. »Findet du sie nicht hübsch?«
    »Sehr hübsch«, pflichtete er ihr bei. »Aber in der Liebe ist sie nur die Nehmende. Ich brauchte eine Frau, die auch geben kann.«
    Sie blickte zu ihm auf. »Geh noch nicht«, sagte sie, »bleib bei mir.«
    Jeremy Spencer-Barr betrachtete sich im Badezimmerspiegel. Er war mit seinem Bild zufrieden. Ein glattrasiertes, ebenmäßiges Gesicht mit gewellten blonden Haaren, die er auf modische Weise etwas länger trug, dazu braune Augen, aus denen Gesundheit sprach. Ein gutaussehender Mann Anfang Dreißig. Er war körperlich fit und besaß einen scharfen Verstand. Er lächelte sich im Spiegel an. Da war eine kleine Blase auf seiner Unterlippe, wo ihn das Mädchen, das noch in seinem Bett schlief, gebissen hatte. Sie lebten schon achtzehn Monate zusammen, und sie hatte in letzter Zeit angedeutet, daß sie ihn gerne heiraten würde. Das war schade, denn sie war sehr attraktiv, und er mochte sie. Aber die Ehe paßte nicht in seine Pläne. Unter diesen Umständen war es ein glücklicher Zufall, daß er in die Vereinigten Staaten ging. Aber es war nicht der Job, den er anstrebte. Einen Abgehalfterten wie Peter Harrington in New York abzulösen, war nicht das gleiche wie Aufpasser bei Iwan Sasonow zu spielen. Die Graham, dieser Blaustrumpf, hatte sich den Fisch an Land gezogen. Er konnte nur

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