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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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meinte Mrs. Graham in beruhigendem Ton. »Sobald sie jemanden gefunden hat und glücklich ist, werdet ihr wieder Freunde sein.«
    Charley stand auf und legte ihrer Mutter den Arm um die Schultern. Sie gab ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange.
    »Du bist ein so lieber Optimist. Hoffen wir, daß du recht behältst.« Dann ging sie hinauf, um sich anzuziehen.
    »Ich wollte eigentlich dableiben«, sagte Sasonow. »Ich dachte daran, Kontakt aufzunehmen und wie Penkowsky mit dem Westen zusammenzuarbeiten. Aber der Verräter hat in Russland nur ein kurzes Leben. Die Zeit wäre knapp geworden. Deshalb begann ich die Flucht zu planen. Ich verfasste einen langen Bericht über Jacob und seine Frau. Dieser Text konnte ihn nicht belasten – aber ich versuchte, sie vom Verdacht politischer Aktivität zu reinigen. Es hat ihnen nichts genützt. Sie wird eine alte Frau sein, wenn sie nach zwölf Jahren Zwangsarbeit wieder nach Hause kommt. Wahrscheinlich überlebt sie es gar nicht. Sie war nie besonders kräftig.«
    »Wie lange hat es gedauert, bis du deinen Entschluß gefaßt hast?«
    Davina ging neben ihm her. Das Gras war tropfnass, aber die Sonne schien durch die Bäume, und überall duftete es nach Erde und frischem Grün. Es war ein klarer, heller Vormittag.
    »Ich kann mich genau an den Tag erinnern. Es geschah mitten in der Nacht. Am 20. August. Wir waren über das Wochenende auf dem Land. Meine Frau lag neben mir. Wir hatten seit Monaten nicht mehr miteinander geschlafen. Seit Jacobs Tod nicht mehr. Sie fragte mich nicht, warum. Sie wußte, wie beunruhigt und wie unglücklich ich war. Sie schlief, und ich war wach. Ich wußte, daß ich nicht so weiterleben konnte wie bisher. Ich konnte nicht im KGB bleiben. Dort war es meine Aufgabe, Menschen wie die Belezkys aufzuspüren und vor Gericht zu bringen. Dann wurden sie in Nervenheilanstalten eingeliefert und mit Drogen zerstört. Oder man schickte sie, wie Jacobs Frau, in ein Gulag – und sie hatte nichts getan, sie hatte ihn nur geliebt.
    Damals traf ich meine Entscheidung. Ich würde mein Land verlassen. Daraufhin schlief ich zum ersten Mal nach vielen, vielen Wochen erleichtert ein.«
    »Du hast deine Familie zurückgelassen«, sagte sie. »Wie konntest du das vor dir selbst rechtfertigen?«
    »Ich konnte sie nicht mitnehmen«, antwortete er, »ich wußte, daß ich allein gehen mußte. Niemand konnte ihnen einen Vorwurf daraus machen, wenn ich sie verließ. Solange sie nichts davon wußten, waren sie in Sicherheit. So dachte ich damals. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich habe nur dieses eine Foto von ihnen, das auf der Straße aufgenommen wurde. Und deine Aussage, daß sie sich in Freiheit befinden und wohlauf sind.« Er blieb stehen und sah sie an.
    »Hast du mich belogen? Antworte mir. Ich muß jetzt die Wahrheit wissen.«
    »Ich habe dich nicht belogen«, sagte Davina, »es geht ihnen gut.«
    Er wandte sich um und ging weiter. »Ich habe etwas, was dein Brigadier haben möchte«, sagte er. »Es ist mehr wert als bloße Informationen. Ich kann ihm sagen, welchen Gebrauch er davon machen kann. Ich kann ihm die Möglichkeit in die Hand geben, den Nahen Osten und die Ölversorgung zu sichern.«
    »Wenn du es mir sagst«, erwiderte sie, und es gelang ihr, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen, »gebe ich es an ihn weiter. Und wir können versuchen, gemeinsam zu einer Übereinkunft zu gelangen.«
    »Ich will nicht den Rest meines Lebens in diesem kleinen Land zubringen«, sagte er. »Hier ersticke ich. Ich will meine Frau und meine Tochter bei mir haben. Ich werde zwei Jahre mit deinen Leuten zusammenarbeiten. Danach werde ich entscheiden, wohin wir gehen.«
    »Das ist nicht mehr als recht und billig«, erwiderte sie. »Ich bin überzeugt, er wird damit einverstanden sein.«
    Sasonow beschleunigte seinen Schritt. »Er wird mit allem einverstanden sein, was ich verlange«, betonte er, »aber ich will nicht nur Worte von ihm hören. Ich will Fedja und meine Tochter – und zwar hier, an meiner Seite. Dann rede ich mit ihm und seinen Leuten. Aber erst muß meine Familie rüberkommen.«
    Sie hatten das Ende des kleinen Waldstücks erreicht, sie traten am oberen Rand eines Ackers in die Sonne hinaus. Der Blick über die Hügellandschaft war so eindrucksvoll, daß Davina seinen Arm ergriff und stehen blieb. Der Turm der Dorfkirche zeigte wie ein grauer Steinfinger zum Himmel empor, und die Salisbury-Ebene dehnte sich sanft gewellt zu beiden Seiten wie eine

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