Davina
Verglichen mit Frauen wie Davina Grahams Schwester war sie ein Goldstück. Wäre es nicht um seine Karriere gegangen, hätte er sie bestimmt geheiratet. Aber wie die Lage nun einmal war, würde er Charlotte Ransom anrufen und sie zum Essen einladen. In vierzehn Tagen mußte er nach New York abreisen, und er hatte keine Zeit mehr zu verlieren.
Davina brachte Sasonow Montag früh wieder zurück. Die Eltern standen vor der Haustür und winkten ihnen zum Abschied freundlich nach. Ihr Vater war spürbar kühl zu ihr gewesen, und ihre Mutter hatte sich merklich angestrengt, das wiedergutzumachen. Der letzte Teil des Besuchs verlief weniger erfolgreich als der Anfang, und sie brachte den Stimmungsumschwung mit der vorzeitigen Abreise ihrer Schwester in Verbindung. Falls Sasonow die Spannung zwischen ihnen spürte, so ließ er es sich nicht anmerken. Er hatte Mrs. Graham auf einem langen Rundgang durch den Garten begleitet, und sie hatte Davina später zugeflüstert, er sei wirklich ein reizender Mensch und außerordentlich an Pflanzen interessiert. Am Morgen brachte er sein Bett in Unordnung, damit es so aussah, als habe er darin geschlafen, denn er hatte die Nacht zum Montag wieder bei Davina verbracht.
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel, als sie in die Hauptstraße einbog, und bemerkte einen grauen Audi, der ihnen folgte. Er hatte sich ihnen auf die Spur gesetzt, sobald sie das Grundstück von Marchwood verließen. Er würde so lange hinter ihnen herfahren, bis sie sich hinter den Toren von Halldale Manor in Sicherheit befanden. Sasonow hatte gesehen, wie sie in den Spiegel blickte, und das Begleitfahrzeug erkannt.
»Zurück in den Käfig«, meinte er.
»Nicht auf lange«, sagte Davina rasch. »Sobald wir zu einem Abkommen mit dem Brigadier gelangt sind, kannst du dir aussuchen, wo du wohnen willst. Ich glaube, ich werde noch heute nachmittag nach London fahren und mit ihm sprechen.«
»Damit hast du dir eine Beförderung verdient«, sagte Sasonow.
»Die ist mir gleichgültig«, antwortete sie. »Ich will nur, daß alles zu einem guten Ende kommt. Ich möchte, daß du deine Familie bei dir hast und mit uns zusammenarbeitest. Das wäre mir Belohnung genug.«
»Du liebst Happy Ends«, sagte er, »wie im Märchen. In Russland haben die Märchen keine Happy Ends. Die Hexe verwandelt sich in einen Wolf und frisst die Kinder auf.«
Sie warf ihm einen Seitenblick zu und konzentrierte sich dann wieder auf die Straße.
»Du bist der größte Schwarzseher, der mir je begegnet ist«, stellte sie fest. »Du siehst immer nur die negative Seite. Ich glaube, du tust das nur, um mich zu ärgern.«
»Vielleicht hast du recht«, gab Sasonow zu. »Vielleicht bin ich auch bloß abergläubisch und habe Angst, das Schicksal herauszufordern.«
»Es gibt kein vorherbestimmtes Schicksal«, sagte sie mit Bestimmtheit. »Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Das Schicksal hat dich nicht nach England gebracht – du hast dich selbst dazu entschlossen. Und es wird bestimmt nicht das Schicksal sein, das deine Frau und deine Tochter aus der Sowjetunion herausbringt!«
»Und wenn es dir nicht gelingt?«
»Es wird uns gelingen«, erwiderte sie. »Das verspreche ich dir.«
Sie wußte nicht, warum sie auf der Fahrt nach London ausgerechnet an Peter Harrington denken mußte. Vielleicht war es ihr persönlicher Erfolg im Gegensatz zu seinem Fiasko. Einer Eingebung folgend, rief sie ihn in der Personalabteilung an, während sie auf das Gespräch mit dem Brigadier wartete, und schlug einen gemeinsamen Drink für später vor. Sobald sie sein Büro betrat, wußte James White, daß sie mit einer Erfolgsmeldung kam. Sie hatte etwas Zuversichtliches und Selbstsicheres an sich, das fremd bei ihr war. Er gewann diesen Eindruck schon nach wenigen Sekunden, als er aufstand, ihr die Hand gab und sie in dem Sessel vor seinem Schreibtisch Platz nahm.
Er lächelte sie an und fragte, bevor sie beginnen konnte: »Sie sind weitergekommen, Miß Graham. Ich sehe Ihnen an, daß Sie zufrieden sind. Das Wochenende ist also gut verlaufen?«
»Es war der Katalysator, den wir gebraucht haben«, äußerte sie. »Er ist bereit, sich mit Ihnen zu arrangieren.«
»Meinen Glückwunsch«, sagte er ruhig. »Wie haben Sie das geschafft?«
»Er hat es selbst getan«, sprach sie. »Er hatte den Krisenpunkt erreicht, und ich war zufällig bei ihm. Er will, daß seine Frau und seine Tochter herübergebracht werden. Dann wird er vorbehaltlos mit uns zusammenarbeiten,
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