Davina
Vater und Charley machen einen Spaziergang.«
»Ihr seid hier alle wie besessen«, meinte er, »andauernd geht ihr spazieren.«
Davina sah den gereizten Blick in seinen Augen und stand auf. »Ich hole dir den Tee«, sagte sie gelassen, »paß bitte auf das Feuer auf.«
Im Garten erklärte Charley ihre Gründe für die Rückkehr nach London. »Es ist nicht nur meine Freundin, Vater«, sagte sie. »Ich wollte es dir eigentlich gar nicht sagen, aber es ist schwierig für mich, wenn Davina da ist. Ich habe sie jetzt fast zwei Jahre nicht gesehen, und sie ist wegen Richard immer noch wütend auf mich. Man sollte meinen, daß sie ihren Hass nach fünf Jahren überwunden haben müßte.«
»Ich hatte befürchtet, daß es so kommen würde«, sagte ihr Vater mißmutig. »Ich hab's deiner Mutter gleich gesagt, daß Davina unfreundlich sein würde. Das Dumme ist nur, daß sie keinen anderen gefunden hat. Er war ihre einzige Chance, glaube ich.« Er seufzte. »Du kannst nichts dafür, daß sich Richard in dich verliebt hat. Leider hast du ihn geheiratet. Darüber kommt sie nicht hinweg – jedenfalls ist das die Ansicht deiner Mutter, und sie hat wahrscheinlich recht. Aber das Ganze ist höchst ärgerlich. Ich hatte mich so sehr auf deinen Besuch und auf ein gemütliches Wochenende gefreut. Schließlich ist es ihre eigene Schuld, wenn sie eine alte Jungfer werden will! Sie hat sich nie für einen anderen Mann interessiert. Aber sie wird auf absehbare Zeit nicht wieder herkommen. Also komm am nächsten Wochenende ruhig wieder, Charley-Liebling, dann haben wir dich ganz für uns.«
Sie drückte liebevoll seinen Arm. »Das tue ich – ich verspreche es dir. Und sag Mutter nichts davon, hörst du? Ich will nicht, daß sie sich aufregt.«
»Abgemacht«, sagte ihr Vater. »Komm, lass uns jetzt wieder hineingehen. Es wird kalt. Magst du noch eine Tasse Tee, bevor du fährst?«
Sie sah den bittenden Ausdruck auf seinem Gesicht und sagte: »Natürlich, gern. Wir setzen uns zum Tee in die Küche. Dann packe ich und mache mich auf den Weg.«
Sie hatten sich immer sehr nahe gestanden; schon als Kind hatte sie sich mehr zu ihrem Vater als zu jedem anderen Menschen hingezogen gefühlt. Er gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Wenn sie als kleines Mädchen einmal ungezogen war, wußte sie immer, daß er ihr verzeihen würde, und dieselbe Gewissheit hatte sie noch jetzt als erwachsene Frau. Er hatte ihr keinen Vorwurf gemacht, als sie Davina den Bräutigam ausspannte und ihn sogar, gegen den Rat der Familie, heiratete. Als ihr Mann zu trinken anfing und fast Bankrott machte, zerbrach die Ehe nach noch nicht einmal zwei Jahren. Captain Graham nahm sie daraufhin mit offenen Armen wieder zu Hause auf. Ihr zweiter Anlauf schien Erfolg versprechender; diesmal handelte es sich nicht um einen jungen Architekten, der in sie vernarrt war, sondern um einen etwa zehn Jahre älteren sehr wohlhabenden Immobilienmakler. Als auch diese Ehe zu Bruch ging, eilte Charley wieder nach Hause, um sich trösten zu lassen, und sie erhielt die Bestätigung, daß sie auch in diesem zweiten Fall im Recht gewesen sei.
Aber sie selbst glaubte nur daran, wenn sie bei ihren Eltern war. Oder wenn sie am Beginn einer neuen Liebesaffäre stand und es so aussah, als werde sie die gleiche liebevolle Verehrung finden, die ihr Vater ihr entgegenbrachte. Dann gewannen Selbstsicherheit und Optimismus die Oberhand über ihren gesunden Menschenverstand, und sie stürzte sich in das neue Abenteuer, ohne an die Zukunft zu denken. Die Liebe war für Charley eine ständige Suche nach dem vollkommenen Glück und endete schließlich immer mit einer Enttäuschung.
Sie empfand eine tiefe Zuneigung zu ihren Eltern, hielt es aber nie lange bei ihnen aus, es sei denn, sie fühlte sich gekränkt oder unglücklich und brauchte Selbstbestätigung. Sie hatte nie begriffen, warum es sie immer wieder von ihnen wegtrieb. Sie folgte dabei lediglich der Eingebung des Augenblicks und verspürte dann ein nicht näher definierbares Schuldgefühl. Sie machte jetzt in der Küche den Tee für ihren Vater, und sie tranken ihn miteinander wie zwei Verschwörer. Dann erklärte sie, sie müsse jetzt packen und dann die Rückfahrt antreten. An der Küchentür umarmte Charley ihren Vater und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Tut mir leid, daß das Wochenende so kurz war«, erklärte sie. »Und vergiß nicht – du bist mein liebster Verehrer!«
So hatte sie ihm schon gute Nacht gesagt, als sie noch
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