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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Tischplatte.
    »Ich wußte, daß du mir etwas verbirgst«, erklärte sie. »Du hättest mir vertrauen können, Mutter. Lies, was hier drinsteht. Und dann sage mir, ob wir noch an seinen Tod glauben können.«
    Fedja schlug sich die Hand vor den Mund, als ihr ein Schrei des Entsetzens entfuhr. Sie hatte zunächst die beschriebene Seite der Ansichtskarte angesehen; sie drehte sie rasch um und dann wieder zurück, um die wenigen Worte noch einmal zu lesen.
    »O mein Gott«, sagte sie. »Mein Gott – sie ist von ihm.«
    »Wieso bist du dir dessen so sicher?« fragte Irina. »Es könnte eine Fälschung, ein fauler Trick sein. Ich glaube es zwar nicht, aber wir dürfen nichts riskieren.«
    »Es ist eine Nachricht von deinem Vater«, versicherte Fedja Sasonowa. »Niemand sonst hätte so etwas schreiben können. Niemand außer mir würde die Worte verstehen … ›Die Sonne ist für uns schon einmal aufgegangen.‹ Das stammt von ihm.«
    »Was bedeutet es?«
    »Als wir geheiratet haben«, sagte ihre Mutter, »fuhren wir eine Woche auf die Krim. Wir hatten ein Zimmer in einem Ferienhaus, tief im Inneren des Landes. Es war Frühling, und überall leuchteten die Blumenbeete. Er nahm mich eines Morgens ganz früh, noch vor Sonnenaufgang, auf einen Spaziergang mit. Wir liebten uns unter den Blumen, und die aufgehende Sonne berührte uns, wie hier auf dieser Postkarte.« Sie senkte den Kopf und begann zu weinen.
    »Was meint er damit – ›Komm zu mir?‹ Oh, mein Gott, wie er mir fehlt!« Sie blickte plötzlich auf, und unverhohlene Angst verzerrte ihr Gesicht. »Woher hast du das? Wer hat es dir gegeben?«
    »Jemand, dem ich vertraue«, sagte ihre Tochter schlicht. »Sie werden ihm eine Nachricht von uns schicken. Er will, daß du zu ihm kommst. Und ich will mitkommen.«
    Ihre Mutter wischte sich die Tränen ab. Sie hob die Ansichtskarte auf und ließ sie dann wieder auf den Tisch fallen.
    »Wir können nicht«, entschied sie, »wir können nie aus Russland ausreisen. Das ist Wahnsinn.«
    Irina beugte sich zu ihr. »Aber warum denn? Er muß einen Weg kennen, sonst hätte er nicht den Vorschlag gemacht, Mutter. Oder willst du nicht zu ihm gehen?«
    »Natürlich will ich«, sagte sie leise. »Ich liege nachts wach und denke nur an ihn. Aber ich hatte mich mit einem Leben ohne ihn abgefunden. Ich wußte, als ich den Leichnam sah, daß er sich im Westen in Sicherheit befindet. Und ich war froh darüber, weil ich wußte, daß auch du wieder eine Zukunft haben würdest. Deine Laufbahn an der Universität, die Lehramtsprüfung … Wir haben so lange im Ungewissen gelebt, und die Belastung war so schrecklich! Als sie mich wegen der Identifizierung abholten, dachte ich, sie würden mich verhaften – ich bin vor Angst fast gestorben. Nein, das ist nicht möglich. Wenn wir uns darauf einlassen und die Sache misslingt, schickt man uns ins Gulag oder in eine Irrenanstalt. Für mich selbst würde ich das Risiko eingehen, aber nicht für dich.«
    Sie goß sich aus dem dampfenden Samowar ein Glas Tee ein und trank in kleinen Schlucken. »Mein Entschluß steht fest«, sagte sie, »wirf die Karte in den Ofen, Irina.«
    »Nein, Mutter. Warte noch bis morgen, denk darüber nach. Ich möchte gehen. Ich habe keine Lust, weiter hier zu leben und mich vor jedem Klopfen an der Tür zu fürchten. Triff morgen deine Entscheidung.«
    Ihre Mutter bewegte sich ganz langsam, als wäre sie unsäglich müde. Sie nahm die Ansichtskarte vom Tisch und küßte sie. Dann hob sie den Deckel vom Ofen ab und ließ sie hineinfallen.
    »Ich habe meinen Entschluß gefaßt«, sagte sie. »Dein Vater wird mich verstehen. Ich habe ein gutes Leben gehabt; ich will, daß du mit einem Mann deiner Wahl eine Familie gründest. Wir wollen jetzt nicht mehr darüber reden.«
    Irina gab keine Antwort. Einige Augenblicke lang, während sie mit ihrer Mutter sprach, hatte sie neuen Mut verspürt, die Schwierigkeiten erschienen ihr nur halb so groß, und an die Bestrafung bei einem Fehlschlag wollte sie gar nicht denken. Die Flucht in den Westen erschien ihr als die Lösung aller Probleme, als das Ende der Einsamkeit und der ständigen Angst, die ihr Leben verdunkelten. Aber als Fedja Sasonowa die Postkarte in den Ofen fallen ließ, kehrte Irina in die Wirklichkeit zurück. Es war nicht möglich. Es ging einfach nicht. Ihre Mutter hatte recht. Sie sah den Kummer auf ihrem Gesicht und erkannte plötzlich, wie sehr ihre Mutter in den letzten neun Monaten gealtert war. Sie trank

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