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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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erschienen Ende Oktober Meldungen über Verschärfungen der antjüdischen Gesetzgebung in der Slowakei. 128
    Diejenigen Deutschen, die mehr über die Deportationen erfahren wollten, konnten demnach in der deutschen Presse durchaus fündig werden: Zwar waren die Informationen als Nachrichten über die rumänischen (oder auch slowakischen) Deportationen verfremdet, aber die Kommentare ließen am endgültigen Zweck der Verschleppungen keinen großen Zweifel. Der Rückgriff auf Hitlers Prophezeiung vom Januar 1939, in der dieser die »Vernichtung« der Juden angekündigt hatte, die Schlagzeile des Völkischen Beobachters über die Juden, die sich selbst ihr Grab gruben, oder drastische Hinweise wie der aus den Münchner Neuesten Nachrichten , dass die »Judenfrage« in der Sowjetunion trotz der dort bereits erprobten »eisernen Hand« der Besatzungsbehörden immer noch einer endgültigen Lösung harre – all dies waren recht deutliche Anzeichen dafür, dass die »Lösung« der »Judenfrage« zugleich das gewaltsame physische Ende der Juden bedeuten würde.
    Noch während die Kampagne anlief, kam es Ende Oktober erneut zu einem Stimmungseinbruch (so nahmen es jedenfalls die Stimmungsbeobachter des Regimes wahr); allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Krieg im Osten trotz aller großen militärischen Erfolge vor Jahresende 1941 nicht mehr gewonnen werden konnte. 129 Hitler selbst musste in seiner Rede vor den Reichs- und Gauleitern am 9. November eingestehen, dass größere Angriffsoperationen auf das kommende Frühjahr verschoben werden mussten. 130 Am Tag zuvor hatte Hitler aus Anlass der Feiern zum 9. November vor der »alten Garde« der Partei eine Rede gehalten, in der er die Juden als »Weltbrandstifter« und das Judentum als »Inspirator der Weltkoalition gegen das deutsche Volk und gegen das Deutsche Reich« bezeichnet hatte.
    Ein Kommentar, der wenige Tage später, am 12. November 1941, unter dem Titel »Der jüdische Feind« im Völkischen Beobachter erschien, griff diese Passage auf und forderte zum bedingungslosen Kampf gegen »Bolschewismus und Rooseveltivismus« auf: »Der Krieg gegen die jüdische Internationale ist ein Ringen auf Leben und Tod, das rücksichtslos zu Ende geführt werden muss und zu Ende geführt werden wird.« 131
    Ende 1941 häuften sich solche Äußerungen, die das Publikum auf eine finale Auseinandersetzung mit »dem jüdischen Feind« vorbereiteten. Auf Goebbels’ Beitrag zu diesem Thema werden wir gleich eingehen; ähnliche Töne lassen sich aber auch anderweitig nachweisen. So berichtete etwa die Parteizeitung Frankfurter Volksblatt am 31. Oktober 1941 über eine Kundgebung in Eltville, auf der der hessische Gauleiter Jakob Sprenger gesagt hatte, das »Judentum aber, das als letzte Reserve Amerika in den Krieg führen will, und im Präsidenten Roosevelt, wie die Lügen und Verleumdungen seiner letzten Rede wieder deutlich beweisen, ein willfähriges Werkzeug gefunden hat, werde seiner Vernichtung nicht entgehen«.
    Die antisemitische Propagandakampagne des Herbstes 1941 stützte sich neben der Presse vor allem auf die typischen Propagandamittel der Partei. Die von der Reichspropagandaleitung der NSDAP herausgegebene Wandzeitung Parole der Woche war in den Monaten Juli bis Dezember 1941 deutlich antisemitisch gefärbt; in etwa zwei Dritteln der Ausgaben in diesem Zeitraum finden sich antisemitische Aussagen. 1940 und in der ersten Jahreshälfte 1941 hatte das Thema demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle gespielt. 1942 sollte knapp die Hälfte der Parolen der Woche antisemitisch ausgerichtet sein. 132
    Im Kino war das Thema dagegen kaum präsent. Die Deutsche Wochenschau hatte, wie erwähnt, in den ersten Wochen des Krieges gegen die Sowjetunion ein Mal Aufnahmen von der Verhaftung sowjetischer Juden und mehrfach Szenen, die Juden bei Aufräumungsarbeiten zeigten, vorgeführt. 133 Die Präsenz des Themas Judenverfolgung in den Rundfunkprogrammen lässt sich aus Mangel an Material leider nicht mehr ermitteln.
     
    Seit Anfang November stellte Goebbels sich darauf ein, in der Propaganda einen neuen Kurs einzuleiten, der der tatsächlichen militärischen Lage Rechnung trug und die sich anbahnende Depression in der Bevölkerung abfangen sollte. 134 Zu diesem Zweck ließ Goebbels am 9. und am 16. November in der Wochenzeitschrift Das Reich für die Stimmungsführung in Deutschland zentrale Leitkolumnen veröffentlichen, die verdeutlichen, wie das NS-Regime versuchte,

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