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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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verspüren. Wir zeigen ja schließlich auch keine Reaktion, und die Juden schweigen trotzdem nicht. Es wird jetzt darauf ankommen, wer es am längsten aushält, zu schweigen. Und es ist, da wir eine autoritär geführte Presse und Propaganda haben, der Feind dagegen nicht, anzunehmen, dass wir es länger aushalten werden.« 216
    Aber die »offensive Abwehr-Kampagne gegen die feindliche Gräuel-Kampagne«, so Goebbels auf der Propagandakonferenz vom 16. Dezember, solle sich »nicht auf die Engländer beschränken. Wir müssen jetzt ein allgemeines Geschrei über Gräuel anstimmen, in dem zum Schluss die Hetze gegen uns völlig untergeht. Zur Untermauerung müsse auch die deutsche Presse sich mit größter Intensität dieses Themas annehmen.« Nur auf Gräuel gegen deutsche Gefangene solle nicht eingegangen werden. 217
    Entsprechend dieser Vorgabe wurde die Presse am kommenden Tag darauf hingewiesen, es sei im »Hinblick auf die in der Welt wieder auflebenden Gräuellügenhetze gegen die Achsenmächte […] angebracht, den Nachrichtenstoff, der laufend über die brutalen Methoden der Briten und Amerikaner in den von ihnen beherrschten Ländern vorliegt, stärker als bisher in Erscheinung treten zu lassen.« 218 Ähnliche Hinweise folgten am nächsten Tag. 219
    In der Presse erschien in der Tat eine Reihe von Artikeln, die diese »Hinweise« aufnahmen, doch flaute diese Kampagne bereits nach einigen Tagen ab. 220 Entsprechend unzufrieden zeigte sich Goebbels: »Was bisher gegen die feindliche Gräuelpropaganda getan worden sei, müsse als ›unzureichend‹ bezeichnet werden; mit allen Mitteln müsse diese Kampagne ununterbrochen wochenlang in größtem Umfange fortgesetzt werden […] Vor allem gilt dieses für die Auslandsdienste, in der deutschen Presse braucht nicht in der gleichen Ausführlichkeit auf diese Dinge eingegangen zu werden, doch muss sich auch die Inlandspresse damit beschäftigen, um der Angelegenheit ein Fundament zu geben.« 221
    Am kommenden Tag ordnete Goebbels an, »in der Abwehr der britischen und jüdischen Gräuelpropaganda in dem jetzigen Stil fortzufahren und unablässig auf den britischen Terror in Indien, Iran usw. zu verweisen. Diese Aktion ist so lange fortzusetzen, bis die Gegenseite zum Verstummen gebracht ist.« Weiter bestimmte Goebbels: »Die Meldung über die Forderung Emil Ludwig Cohns nach einer völligen Abrüstung Deutschlands soll von der Presse aufgegriffen und dazu benutzt werden, den Antisemitismus virulent zu erhalten, damit nicht bei den demnächst wieder stattfindenden Juden-Evakuierungen in der Bevölkerung falsche Sentimentalität Platz greift.« 222
    Dieser Wunsch wurde zwar vom Völkischen Beobachter sofort aufgegriffen; 223 doch im Übrigen war der Presse hinsichtlich des Themas »britischer Terror« bereits der Atem ausgegangen. Das Protokoll der Pressekonferenz vom 22. Dezember macht deutlich, dass sich die deutsche Propaganda gegenüber der alliierten Nachrichtenpolitik bereits in der Defensive befand: »Gräuelmeldungen aus Moskau und England sollten nicht aufgegriffen werden, wenn doch, dann nur in sehr massiver Abwehr.« Der Sprecher des Auswärtigen Amtes führte aus, die »große Aktivität des Judentums gegen die Achse zeige sich erneut in Erklärungen verschiedener feindlicher Sender, des Reuterbüros, des Büros United Press, des amerikanischen Senators Pepper usw.«, 224 schien aber ratlos zu sein, wie man darauf reagieren solle.
    Auf der Propagandakonferenz vom 29. Dezember forderte Ministerialdirigent Wilhelm Haegert, der an Goebbels’ Stelle die Besprechung leitete, erneut, die antisemitische Propaganda zu verschärfen. Haegert bemängelte, dass »immer noch nicht im genügenden Umfang laufend Nachrichten über die Judenfrage herausgebracht würden«, obwohl das Thema doch sowohl innen- wie außenpolitische Bedeutung besitze: »Man dürfe ja nicht vergessen, dass die Araber in Nordafrika doch eine gewisse militärische Rolle spielen werden, und gerade die Araber reagierten bekanntlich sehr gut auf die Judenfrage, vor allem, wenn man dieses Thema in Zusammenhang mit Amerika bringe, das ja laufend Stoff zum Judenproblem liefere, der sowohl innerpolitisch wichtig sei zur Begründung unserer Judenpolitik, wie auch allgemein außenpolitisch, speziell für die Araber in Nordafrika. Es genüge also nicht, wenn die deutsche Presse lediglich Notizen bringe über die Maßnahmen gegen die Juden, sondern diese Maßnahmen müssten laufend durch eine entsprechende

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