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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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Propaganda unterstützt und begründet werden.« 225
    Die wiederholten Ermahnungen zeigen, dass der Versuch, von den »Gräuelmeldungen« der alliierten Seite durch eine Entlastungsoffensive abzulenken, nicht richtig in Gang kam. Vermutlich dürften die entsprechenden Bemühungen an den praktischen Schwierigkeiten der Journalisten gescheitert sein, einen kontinuierlichen Strom von Berichten über angebliche alliierte Verbrechen in Indien, dem Iran oder anderswo zu produzieren, die halbwegs glaubwürdig klangen und geeignet waren, das Interesse des breiten Publikums in Deutschland zu wecken.
    Denn die deutsche Bevölkerung, das ist eindeutig, war zu diesem Zeitpunkt mit einem anderen Problem beschäftigt, und das hieß: Stalingrad.

»Kraft durch Furcht«: Die Drohung mit der »jüdischen Rache«

Nach Stalingrad: Antibolschewistische und antijüdische Propagandakampagne im Zeichen des Totalen Krieges
    Nach der Niederlage von Stalingrad stellte Goebbels die deutsche Propaganda, und zwar sowohl die Inlands- wie die Auslandspropaganda, ganz unter die Parole des »Kampfes gegen den Bolschewismus«. Die ersten, grundlegenden Anordnungen dazu erließ er am 9. und 12. Februar 1943; in den nächsten Tagen und Wochen sollte er immer wieder auf dieses Leitmotiv zurückkommen. 1
    Die Betonung der »antibolschewistischen« Inhalte hatte – fast selbstverständlich angesichts der stereotypen Vorgehensweise der NS-Propaganda – zur Folge, dass nun auch antisemitische Motive vor allem in der Parteipresse wieder verstärkt aufgegriffen wurden. Der Völkische Beobachter und Der Angriff leiteten die Kampagne am 11. Februar mit entsprechenden Schlagzeilen ein (»Die neuesten Hassausbrüche unserer Todfeinde« beziehungsweise »Neuer teuflischer Plan zur Vernichtung unseres Volkes«). 2 Der Angriff veröffentlichte am 23. Februar einen Leitkommentar Robert Leys, in dem es unter anderem hieß: »Der Jude ist auserwählt, nun endlich für seine Schandtaten und Verbrechen ausgerottet zu werden. Der Deutsche ist vom Schicksal ausersehen, dieses Urteil der Vorsehung zu vollstrecken.«
    Kurz nach Beginn der Kampagne, am 18. Februar, hielt Goebbels im Berliner Sportpalast die berüchtigte Rede, in der er sein Publikum auf den »Totalen Krieg« einschwor, verbunden mit massivem antisemitischen Tenor. So warnte der Propagandaminister im Falle einer militärischen Niederlage vor »bolschewistisch-jüdischer Sklaverei«, sprach von »jüdischen Liquidationskommandos«, nannte das »internationale Judentum« das »teuflische Ferment der Dekomposition« und erhob, einen »Versprecher« korrigierend, die Forderung nach »vollkommener und radikalster Ausrott-, -schaltung des Judentums«. 3
    Seit Ende Januar 1943 trieb Goebbels außerdem erneut die von ihm seit dem Sommer 1938 verfolgte Idee voran, die Berliner Juden vollständig aus der Stadt zu deportieren. Am 22. Januar versicherte er sich noch einmal der Zustimmung Hitlers zu diesem Projekt, 4 und am 7. Februar nahm er befriedigt eine Ansprache Hitlers vor den Reichs- und Gauleitern zur Kenntnis, in der dieser noch einmal ankündigte, »dass wir das Judentum nicht nur aus dem Reichsgebiet, sondern aus ganz Europa eliminieren müssen«. Goebbels hielt weiter fest: »Auch hier macht sich der Führer meinen Standpunkt zu eigen, dass zuerst Berlin an die Reihe kommt und dass in absehbarer Zeit in Berlin kein Jude mehr sich aufhalten dürfe.« 5 Entsprechend dieser Maßgabe wurden in Berlin am 27. Februar während der so genannten Fabrikaktion Juden in der Reichshauptstadt verhaftet und anschließend deportiert. Unter den Festgenommenen befanden sich auch zahlreiche Menschen, die in so genannten Mischehen lebten, also einem Personenkreis angehörten, der bisher grundsätzlich von den Deportationen verschont geblieben war. Ihre Verwandten, die befürchteten, dass diese Ausnahmeregelung nun aufgehoben werde, harrten so lange in einer Protestaktion vor einem Gebäude in der Rosenstraße aus, bis die dort Festgehaltenen freigelassen wurden. 6
    »Fabrikaktion« und »Rosenstraßenprotest« spiegeln sich in Goebbels’ Tagebüchern wider; deutlich wird, dass beide seiner Einschätzung nach die »Stimmung« in der Stadt beeinflussten. Am 2. März notierte Goebbels in seinem Tagebuch, »dass die besseren Kreise, insbesondere die Intellektuellen, unsere Judenpolitik nicht verstehen und sich zum Teil auf die Seite der Juden stellen. Infolgedessen ist die Aktion vorzeitig verraten worden.« Am 6. März hielt er

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