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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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fest: »Es haben sich da leider etwas unliebsame Szenen vor einem jüdischen Altersheim abgespielt, wo die Bevölkerung sich in größerer Menge ansammelte und zum Teil sogar für die Juden etwas Partei ergriff.« Am 11. März notierte er: »Leider sind dabei auch die Juden und Jüdinnen aus privilegierten Ehen zuerst mit verhaftet worden, was zu großer Angst und Verwirrung geführt hat. Dass die Juden an einem Tag verhaftet werden sollten, hat sich infolge des kurzsichtigen Verhaltens von Industriellen, die die Juden rechtzeitig warnten, als Schlag ins Wasser herausgestellt. Im ganzen sind wir 4000 Juden dabei nicht habhaft geworden. […] Die Verhaftung von Juden und Jüdinnen aus privilegierten Ehen hat besonders in Künstlerkreisen stark sensationell gewirkt. Denn gerade unter Schauspielern sind ja diese privilegierten Ehen noch in einer gewissen Anzahl vorhanden. Aber darauf kann ich im Augenblick nicht übermäßig viel Rücksicht nehmen.«
    Am 8. März ließ er sich von Hitler noch einmal die Richtigkeit seiner Politik bestätigen, »so schnell wie möglich die Juden aus Berlin herauszuschaffen«. 7 Am 14. März, bei einer erneuten persönlichen Begegnung mit Hitler, betonte Goebbels zum wiederholten Male, wie wichtig es sei, »die Juden so schnell wie möglich aus dem ganzen Reichsgebiet herauszubringen«. Hitler billigte, so Goebbels, nicht nur dieses Vorgehen, sondern »gibt mir den Auftrag, nicht zu ruhen und nicht zu rasten, bis kein Jude sich mehr im deutschen Reichsgebiet befindet«. Außerdem erhielt Goebbels von Hitler den Auftrag, »in unserer Propaganda jetzt wieder die Judenfrage stärker herauszustellen; denn die Juden sind es ja schließlich, die England in die allmähliche Bolschewisierung hineintreiben«. 8
    Goebbels machte sich sogleich ans Werk. 9 Gleichzeitig setzte er seine Bemühungen um ein »judenfreies« Berlin fort: »Der Führer ist glücklich darüber, dass, wie ich ihm berichte, die Juden zum größten Teil aus Berlin evakuiert sind. Er meint mit Recht, dass der Krieg uns die Lösung einer ganzen Reihe von Problemen ermöglicht hat, die man in normalen Zeiten niemals hätte lösen können. Jedenfalls werden die Juden die Verlierer dieses Krieges sein, so oder so.« 10
    Einen Tag später hielt er in seinem Tagebuch fest: »Berlin und das Reich sind jetzt zum großen Teil judenfrei gemacht worden. Das hat zwar einige Mühe gekostet, aber wir haben es doch durchgesetzt. Allerdings leben in Berlin noch die Juden aus Mischehen; diese betragen insgesamt 17 000. Der Führer ist auch außerordentlich betroffen von der Höhe dieser Zahl, die ich auch nicht so enorm eingeschätzt hätte. Der Führer gibt [Reichsinnenminister; P.L.] Frick den Auftrag, die Scheidung solcher Ehen zu erleichtern und sie schon dann auszusprechen, wenn nur der Wunsch danach zum Ausdruck kommt. Ich glaube, dass wir damit eine ganze Reihe dieser Ehen schon beseitigen und die übrigbleibenden jüdischen Partner aus dem Reich evakuieren können.«
    Bei der »Judenfrage«, das machen die folgenden Sätze über die Unterredung mit Hitler deutlich, ging es nach Auffassung beider in Wirklichkeit um nichts anderes als um die Existenz des deutschen Volkes: »Jedenfalls kommt es nicht in Frage, dass wir hier irgendwelche Kompromisse schließen; denn sollte das Unglück eintreten, dass wir den Krieg verlören, so würden wir nicht nur derohalben, sondern überhaupt absolut vernichtet werden. Mit einer solchen Möglichkeit darf man deshalb überhaupt nicht rechnen und muss seine Politik und Kriegführung darauf abstellen, dass sie niemals eintreten kann. Je konsequenter wir da vorgehen, umso besser fahren wir.« 11
    Am folgenden Tag ging es nach einem weiteren Gespräch mit Hitler um den gleichen Grundgedanken: »Die meisten unserer Zeitgenossen machten sich nicht klar, dass die Kriege des 20. Jahrhunderts Rassenkriege seien, und dass es in Rassenkriegen immer nur Überleben oder Vernichtung gegeben habe, dass wir uns also klar darüber sein müssten, dass auch dieser Krieg mit diesem Ergebnis enden werde.« 12 Hitler bekräftigte diese Auffassung im Übrigen am gleichen Tag öffentlich in einer Rede zum Heldengedenktag im Lichthof des Berliner Zeughauses: Er erinnerte an seine »einstige Prophezeiung, […] dass am Ende dieses Krieges nicht Deutschland oder die mit ihm verbündeten Staaten dem Bolschewismus zum Opfer gefallen sein werden, sondern jene Länder und Völker, die, indem sie sich immer mehr in die Hand des

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