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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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sie sollten sich, so Leers Ratschlag, lieber »erst einmal darüber beklagen, in welch namenloses Elend die Juden mit dem Zusammenbruch 1918 […] und mit dem neuen Krieg, den sie zusammengehetzt haben, unser Volk und ganz Europa hineingetrieben haben«. Dann ging Leers auf einen weiteren möglichen Einwand gegen die »Judenpolitik« des Regimes ein: »Ja, aber die Methoden? Wer Methode sagt, hat immer Unrecht. Es kommt auf das Ergebnis an. Das Ergebnis für den Arzt muss die restlose Ausschaltung der Cholera sein, das Ergebnis für unser Volk die restlose Ausschaltung der Juden sein. Der Kampf steht ›Spitz auf Knopf‹. Es geht zwischen uns und den Juden darum, wer wen überlebt. Wenn die Juden siegen, wird unser ganzes Volk so niedergemetzelt wie die polnischen Offiziere im Walde von Katyn – und wenn wir den Juden die Möglichkeit nehmen wollen, nach diesem Krieg wieder einen Krieg und noch einen neuen Krieg und immer neue Kriege und Revolutionen zusammenzubrauen, von denen sich jeder gegen uns richtet und alle nur den Zweck haben, die jüdische Rache an uns zu vollziehen – dann dürfen wir das Judentum zwischen uns nicht existieren lassen.
    Mögen diese Dinge schrecklich sein«, fuhr Leers fort, »sie sind aber unausweichlich. Wir haben uns die Zeit nicht ausgesucht, in der wir leben, aber wir stehen mit dem Rücken gegen die Wand. Das Judentum, dem wir bis zum Weltkrieg nichts als Gutes erwiesen haben, dem wir in Deutschland die größte Entwicklungsmöglichkeit gegeben hatten, ist uns damals in den Rücken gefallen wie ein Mörder. Und es ist wieder dabei und möchte uns ermorden. Die Feindschaft ist von ihm ausgegangen – und es kann sich nicht wundern, dass für uns seiner Mordlust gegenüber Notwehrrecht gilt. Es hat es selbst gewollt.«
    Leers Kommentar lässt sich als eine Replik auf die offenbar weit verbreitete Auffassung lesen, die Katyn-Propaganda sei wegen der nicht verborgen gebliebenen Morde an den Juden wenig glaubwürdig. Mit seiner Verteidigung der »Methoden« und dem Eingeständnis, dass »diese Dinge schrecklich […] aber unausweichlich« seien, bestätigte Leers nicht nur die Gerüchte über Exekutionen und andere an den Juden verübte Gräueltaten, sondern rechtfertigte sie ausdrücklich als legitime Vorgehensweise einer Politik der »Ausrottung«, bei der es um das Prinzip »Wir oder sie« gehe.
    Leers’ Kommentar erschien auch im Dresdner Freiheitskampf und fand in Victor Klemperer einen höchst alarmierten Leser. Klemperer zog folgende Schlussfolgerungen aus dem Artikel, namentlich aus der Formulierung, »dass wir die Juden aus Europa ausrotten«: »1. Sie haben angefangen. 2. und hauptsächlich: Unsere Judenvertilgung ist in Deutschland selber gar nicht populär.« 56
    Am 5. Juli kam Leers im Führer unter der Überschrift »Der Jude und der Bombenterror« noch einmal auf das Thema »Wir oder sie« zurück. Anlass war die Bombardierung des Kölner Doms: »Geloben wir uns in dieser Stunde, durch Kind und Kindeskinder uns zu erinnern, dass es die Juden waren, die den Luftgangsterkrieg gegen die Zivilbevölkerung und ihre Wohnstätten, gegen die hehrsten Kulturdenkmäler gewollt haben, dass sie für ihn haftbar gemacht werden müssen und ihre Vernichtung die allein notwendige Sühne für dieses Verbrechen sein kann.«
    Die Mitteldeutsche Nationalzeitung, ebenfalls ein Parteiblatt, brachte am 3. Juni einen Artikel unter der Überschrift »Nach dem Judenproblem die Zigeunerfrage«, in dem es unter anderem hieß: »In dem Augenblick, wo die Völker Südosteuropas an die Lösung der Judenfrage auf mehr oder weniger erkannter rassischer Grundlage gehen, ist als zweites Problem einer gesunden Bevölkerungspolitik im südosteuropäischen Raum die Zigeunerfrage spruchreif geworden. […] Die ausgesprochen asoziale Haltung und die außerordentlich starke Vermehrung der Zigeuner haben zur Folge, dass in den meisten Ländern Südosteuropas die Stimmen immer lauter werden, auch diese Frage möglichst rasch und gründlich zu lösen. Die größte Schwierigkeit ist die, dass der Zigeuner nach seiner rassischen Eigenart die Wohltaten einer dauerhaften Ansiedlung geradezu verschmäht. Im Gegensatz zu den Juden will er allerdings nur das Allernotwendigste ›besitzen‹ […] er behindert das Neuaufbauwerk in Südosteuropa und das ist der Grund, warum auch die Zigeunerfrage jetzt im europäischen Südosten nach einer Lösung drängt.«
    Der Artikel geht mit keinem Wort darauf ein, wie denn die

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