"Davon haben wir nichts gewusst!"
Aufgaben, und sie gingen daher in Inhalt und Aufmachung durchaus getrennte Wege.
Nach dem Verbot der linken und regimegegnerischen Zeitungen im Zuge der »Machtergreifung« bestand die allgemeine Presse ganz überwiegend aus Blättern, die vor der Machtergreifung politisch farblos, deutschnational oder ganz allgemein »rechts« ausgerichtet gewesen waren. Hinzu kamen einige vormals bürgerlich-liberale Zeitungen, deren Existenz durch das Regime geduldet wurde. Eine Sonderrolle spielte die katholische Presse.
Alle diese nichtnationalsozialistischen Zeitungen waren – als das Ergebnis von Zwang und Selbstanpassung – mehr oder weniger »gleichgeschaltet«, das heißt in die Propagandapolitik des Regimes integriert. Dass dies funktionierte, garantierte ein ausgefeiltes System der Presselenkung: Die Zeitungsredaktionen waren verpflichtet, ihre Arbeit an den detaillierten Anweisungen des Propagandaministeriums auszurichten; Journalisten und Verleger waren Disziplinierungsmaßnahmen unterworfen und konnten ihren Beruf ohnehin nur ausüben, wenn sie Mitglied in einem der Berufsverbände der Reichspressekammer waren. Außerdem wurde nach 1933 ein großer Teil der offiziell nichtnationalsozialistischen Presse in Wirklichkeit durch ein System verschachtelter Beteiligungen durch einen von der NSDAP kontrolliertem Pressetrust erworben und auf diese Weise zusätzlich kontrolliert.
Trotzdem bot die deutsche Presse der Jahre 1933 bis 1938 kein vollkommen uniformes Bild. Aus Sicht der »Presseführung« schien es durchaus opportun zu sein, gewisse Konzessionen an das Lesepublikum zu machen, wollte man die sterile Langeweile einer »Einheitszeitung« vermeiden. So gab es in der Presselandschaft Raum für lokale oder regionale Besonderheiten, und auch an die katholische Leserschaft und an ein gebildetes, bürgerliches Publikum wurden Zugeständnisse gemacht; aus außenpolitischen Gründen erwog man zudem, eine gewisse Bandbreite in der Berichterstattung zuzulassen, damit die deutsche Presse außerhalb Deutschlands überhaupt noch als zitierfähig gelten konnte. Auch innenpolitisch sprach einiges dafür, die – allerdings stetig schwindende – Illusion aufrechtzuerhalten, es gebe außerhalb der eigentlichen Parteipresse noch so etwas wie eine zumindest in Ansätzen unabhängige »öffentliche Meinung« in Deutschland. 1
Unterschiede in der Berichterstattung lassen sich in den Jahren 1933 bis 1938 vor allem im Hinblick auf die Judenverfolgung und die antisemitische Propaganda ausmachen. Während die Parteipresse in den Jahren 1933, 1935 und 1938 groß angelegte antisemitische Kampagnen durchführte und in den Jahren zwischen diesen Höhepunkten geflissentlich darauf achtete, zumindest eine Art »Grundversorgung« ihrer Leserschaft mit antisemitischer Propaganda sicherzustellen, war die übrige Presse weitaus zurückhaltender: Im Vordergrund stand hier gerade in den Anfangsjahren eine relativ neutrale Berichterstattung über die judenfeindlichen Maßnahmen des Regimes; erst im Laufe der Zeit nahmen die Kommentare und Betrachtungen der Redaktionen eine deutlich antisemitischere Färbung an, nun auch immer häufiger durchsetzt vom judenfeindlichen Jargon der Parteipresse.
Diese Beobachtung gilt auch für andere Medien. Hier ist allerdings die Quellenlage komplizierter. Eine vor einigen Jahren vom Deutschen Rundfunkarchiv zusammengestellte Edition von Sendemanuskripten aus den Jahren 1933 bis 1945, die die Verfolgung der Juden thematisierten oder antisemitisch ausgerichtet waren, versammelt zwar die beachtliche Zahl von 201 Dokumenten, darunter eine ganze Reihe bemerkenswerter Aussagen führender Nationalsozialisten über die künftige »Judenpolitik« des Regimes. 2 Doch angesichts der sicher einigen zehntausend Wortsendungen, die zwischen 1933 und 1945 von den deutschen Radiostationen gesendet wurden, lässt diese Sammlung allein noch keine Rückschlüsse darüber zu, welche Rolle das Thema Judenverfolgung im deutschen Radio spielte. Nicht einmal Schätzungen über die Häufigkeit antisemitischer Themen in den NS-Rundfunkprogrammen sind möglich. Aus den erhaltenen Aktensplittern über die täglichen Programme ergibt sich jedoch der begründete Eindruck, dass – ähnlich wie in der Presse – das Thema Antisemitismus in der Vorkriegszeit in den Phasen, in denen relative Ruhe in der »Judenpolitik« herrschte, auch im Rundfunk eine untergeordnete Rolle spielte, während in der Zeit nach der so genannten Kristallnacht –
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