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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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einen Kommentar des bekannten NS-Journalisten Schwarz van Berk, in dem dieser Goebbels’ Sportpalast-Rede als vorbildlich für den Umgang mit Juden herausstellte. »Wir wollen«, so empfahl Schwarz van Berk, »mit den Juden so verkehren, dass wir unsere Freude daran haben. Das lässt sich machen. Wir haben Humor genug. Wir müssen nur den Ton bestimmen. Der Jude passt sich immer an.« 43
    In den folgenden Tagen kam das Blatt immer wieder auf den Aufruf »Was dürfen sich Juden schon wieder erlauben?« zurück, berichtete über dessen Wirkung im In- und Ausland und brachte Beispiele für den angeblich wieder zunehmenden jüdischen Einfluss. 44 Am 1. Juni verschärfte Schwarz van Berk in einem Leitartikel unter der Schlagzeile »Was dürfen Juden sich erlauben?« die Kampagne weiter und breitete das Thema der vermeintlich wieder wachsenden Selbstsicherheit der deutschen Juden vor seinen Lesern aus. An die Adresse »des Juden« gerichtet, schrieb Schwarz van Berk: »Er muss endgültig mit seinem Verhalten von früher brechen, d.h. er muss die deutsche Öffentlichkeit den Deutschen überlassen.« In den folgenden Tagen setzte Der Angriff seine antisemitische Kampagne fort; 45 erst mit dem 30. Juni 1934, als das NS-Regime die Ausschaltung der SA-Führung benutzte, um eine blutige Generalabrechnung mit einer Vielzahl von innenpolitischen Gegnern vorzunehmen, rückten andere Themen wieder in den Vordergrund. Das galt auch für andere NS-Blätter.
    In der nichtnationalsozialistischen Presse wurde demgegenüber in eher neutraler und zurückhaltender Form über antijüdische Maßnahmen berichtet; man reagierte auf Maßnahmen des Regimes und versuchte im Allgemeinen nicht, von sich aus die »Judenfrage« aufzuwerfen. Insbesondere die Frankfurter Zeitung registrierte auf geradezu akribische Weise die antisemitischen Maßnahmen: Zu diesem Zweck griff sie Verlautbarungen von Fachverbänden, Gemeinderatsbeschlüsse, Gerichtsurteile und andere Erklärungen aus dem gesamten Reichsgebiet auf. 46 Dafür musste sich das Blatt massive, öffentlich geäußerte Kritik seitens der Parteipresse gefallen lassen, da es eine zu »judenfreundliche« Tendenz verfolge. 47 Wiederholt nahm die Frankfurter Zeitung gegen die Absicht Stellung, Juden aus der Wirtschaft zu verdrängen, und verwies auf die dem entgegenstehende rechtliche Lage. 48 In einem Kommentar vom 13. Dezember 1934 wandte sich die Frankfurter Zeitung gegen die öffentliche Anprangerung von Kunden jüdischer Geschäfte:
    »Das meiste jedoch, was sich auf diesem Gebiet vollzieht, geht stiller vor sich. Manchmal erscheint es so verborgen, dass man den Eindruck gewinnt, als seien die Urheber selbst über die Zulässigkeit ihrer Handlungsweise im Zweifel gewesen. Naturgemäß liegen die Dinge keineswegs so, dass der Einkauf und die Beziehung zu nichtarischen Firmen irgendwie empfohlen werden sollten oder könnten; wer nichtarische Firmen zu meiden wünscht, kann das aus eigenem Entschlusse so weit tun, wie ihm beliebt. Gerade dann aber muss die entscheidende Grenze im Auge behalten werden, nämlich die, dass die scharfe Agitation gegen die Geschäftsbeziehungen mit Nichtariern […] und dass der Druck, wie er durch Anprangerung, persönliche Kontrollen oder Drohungen ausgeübt wird, sich mit den Grundsätzen der Reichsregierung für das Gebiet der Wirtschaft schlechterdings nicht mehr vereinbaren lassen.«
    Da, hieß es im Kommentar weiter, »viele Hunderttausende von Nichtariern in Deutschland leben (ihre genaue Zahl ist ja noch nicht festgestellt), da die ganz überwiegende Mehrzahl von ihnen Deutschland nicht verlassen will (obgleich vieles für sie schwer zu ertragen ist), da überdies nur eine kleine Minderheit Deutschland überhaupt verlassen könnte, selbst wenn sie es wollte, – so lässt sich die Judenfrage in Deutschland, was man auch im einzelnen wünschen mag, zwangsläufig nur so lösen, dass man den Nichtariern in Deutschland ihren Lebensraum sichert und sie an bestimmten Aufgaben teilnehmen lässt, und zwar so eindeutig, dass auch in der Bevölkerung nicht mehr Unklarheiten darüber entstehen können.« Der »Antisemitismus der Tat«, wie er etwa von radikal-antisemitischen Parteiaktivisten in Franken betrieben werde, so die Frankfurter Zeitung , mache »eine Lösung des Problems nur immer schwieriger. Und doch wird diese Lösung sich nicht vermeiden lassen!« 49
    Dieser kritische Kommentar sollte nicht unbeantwortet bleiben. Am 18. Dezember 1934 bekam Schwarz van Berk im

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