Dawning Sun (German Edition)
Schritt entfernt. Alles in ihm drängte, Tom zu umarmen, ihn festzuhalten, ihm zu helfen, gleichgültig wie. Aber er schaffte es zu warten. Er war weiterhin bereit zu fliehen, oder Tom aufzufangen, falls er es zuließ.
Ganz allmählich verlief sich die immense Spannung in Toms Körper. Er atmete ruhiger, schaute ihn nun offen an. So viel Schmerz und nackte Angst strahlte er aus, dass es Josh unwillkürlich auf ihn zu trieb.
Und dann lag Tom in seinen Armen und umklammerte ihn so fest, dass Josh kaum atmen konnte.
„Bitte bleib!“, flüsterte er rau in Joshs Ohr. „Bitte bleib bei mir!“
Er löste sich ein wenig, gerade genug, um in Joshs Gesicht schauen zu können. Es war ein verzehrender Blick, es fühlte sich an, als wollte Tom jedes einzelne Detail aufsaugen. Sie zitterten mittlerweile beide vor unterdrückten Emotionen. Joshs Herz pochte mit erschütternder Gewalt, ihm war schwindelig vor Atemnot. Tom legte ihm eine Hand in den Nacken und zog ihn behutsam zu sich heran. Näher. Und näher.
Erküsstmicherküsstmicherküsstmich!
Sehr sanft berührten sich ihre Lippen. Es war kaum ein Hauch, so als würde Tom ihm Gelegenheit geben, sich ihm zu verweigern. Das war so ungefähr das Letzte, was Josh wollte, zu elektrisierend fühlte es sich an, von warmem Atem gestreichelt zu werden und so viel Nähe spüren zu dürfen. Alles Denken verharrte. Joshs Welt schrumpfte zusammen auf diese eine Empfindung. Sehnsüchtig legte er die Arme um Toms Schultern und öffnete sich ihm. Es war befremdlich, das Gefühl, als Toms Zunge über Joshs Lippen fuhr, um ganz sacht in ihn einzudringen. Ein wenig beängstigend und sehr, sehr erregend. Sein Unterbauch zog sich zusammen, kribbelnde Wärme breitete sich aus, um sich in den Lenden zu sammeln. Tom stöhnte, sein Griff um Joshs Nacken verstärkte sich. Er drang tiefer vor, neckte Joshs Zunge, erkundete mit steigendem Eifer seinen Mund. Als er ihn – ein oder zwei Zeitalter später – losließ, flüsterte Josh bloß:
„Wow!“
Plötzlich gaben seine Knie nach. Tom stützte ihn, schleppte ihn zur Matratze hinüber. Er wollte Josh loslassen, doch das konnte dieser nicht erlauben und zog ihn kurzerhand mit sich. Sie lachten beide, als Tom auf ihm landete, rangelten ein wenig und blieben schließlich Arm in Arm liegen, fest aneinandergekuschelt. Tom streichelte ihm zärtlich Kopf und Rücken, blieb dabei allerdings strikt über dem Stoff. Das war Josh vollkommen recht, denn jetzt meldete sich sein Verstand zurück und warnte ihn mit schrillsten Tönen, dass dies garantiert nicht hilfreich war, um sein Leben zu vereinfachen.
Scheiß drauf, das war mein erster Kuss!
- Trotzdem stimmt was nicht mit ihm!
Es ist wundervoll, hier bei ihm zu sein …
- Wirf den Notanker, das läuft aus dem Ruder!
Ob er mich noch mal küssen wird?
- Joshua Winkels, der Kerl hat mehr Probleme als du Haare auf dem Kopf, das kann nicht gut gehen!
Ich könnte stundenlang so liegen und mit ihm kuscheln. Fühlt sich irre schön an, gestreichelt zu werden.
- Lauf weg, bevor es zu spät ist!
Es ist längst zu spät.
Josh spürte, dass er beobachtet wurde und öffnete die Augen. Ein glückliches Strahlen lag auf Toms Gesicht. Er betrachtete ihn mit so viel Wärme und Zufriedenheit, dass die Schmetterlinge in Joshs Bauch Loopings flogen. Tom küsste ihm sacht die Nasenspitze, dann seufzte er. Das Strahlen verging. Die Schmetterlinge krachten zurück auf den Boden der Tatsachen.
„Kannst du darüber reden?“, fragte Josh verzweifelt. „Bist du krank? Oder wartet irgendwo jemand auf dich?“ Der Gedanke war ihm gerade spontan gekommen. Er durchlebte einen Moment nie gekannter Eifersucht, bevor Tom mit einem traurigen Lächeln den Kopf schüttelte.
„Kein anderer“, wisperte er. „Krank bin ich auch nicht. Es ist … schwierig.“
„Bitte schick mich nicht wieder weg“, flehte Josh mit solch hoher Stimme, dass er sie selbst nicht erkannte. „Ich schaffe das nicht.“
„Ich könnte versuchen …“, murmelte Tom. „Wenn wir nicht weitergehen als jetzt …“ Er setzte sich ruckartig auf. Die Kälte und Leere, die er hinterließ, waren quälend.
„Wir können Kumpel sein. Einfach nur gute Freunde.“
Mit müden Bewegungen setzte Josh sich neben ihn. Der Abstand zwischen ihnen betrug keine fünfzehn Zentimeter und war trotzdem viel zu groß.
„Mein letzter guter Freund war gestern bei mir“, sagte er in das unbehagliche Schweigen hinein. Tom spannte sich sofort an – Eifersucht oder Besorgnis?
Josh
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