Dawning Sun (German Edition)
leisten. Ja, es war unsinnig, wahnsinnig, ganz und gar verrückt, sich auf etwas einzulassen, was ihn bestenfalls verletzt davonkommen ließ. Aufhören war leider vollkommen unmöglich ...
18.
Sie hatten sich geküsst und aneinandergeschmiegt, bis Tom irgendwann fluchtartig im Bad verschwunden war. Josh wusste, dass er sich dort selbst befriedigte, was ihn ein winziges bisschen enttäuschte und ein größeres bisschen erleichterte. Das unschuldige Schmusen war wunderbar. Für mehr war er noch nicht wirklich bereit. Ein halbherziger Versuch, sich mit Erklärungen über mathematische Probleme abzulenken, scheiterte kläglich. Darum hatte Tom eine DVD rausgekramt, die er auf seinem Laptop abspielen ließ. Einen Fernseher besaß er nicht, der hätte auch schwerlich Platz in dieser besseren Abstellkammer von Wohnung gefunden. Welchen Film sie da guckten, wusste Josh beim besten Willen nicht. Er saß an Toms Brust gelehnt, starrte auf den Monitor, ohne etwas wahrzunehmen und ließ sich gedanklich dahintreiben. Es war schwer sich auf irgendetwas zu konzentrieren, während Tom ihn liebevoll streichelte.
„Ich hab Hunger, und du?“ Josh streckte und räkelte sich behaglich, als der Film vorbei war. Es ging auf fünfzehn Uhr zu, stellte er staunend fest.
„Hm …“ Tom zuckte vage die Schultern. Josh blickte von ihm zu der kleinen Kochecke hinüber. Einen Kühlschrank gab es schon mal nicht.
„Was hattest du denn für heute geplant?“, bohrte er nach.
„Nichts“, murmelte Tom. „Ich bekomm erst morgen wieder Geld, vorausgesetzt, mein Nachhilfeschüler kommt in der Freistunde. Hab’s diesen Monat etwas übertrieben.“
„Äh – und wann hast du das letzte Mal gegessen?“
„Gestern Mittag.“ Er zuckte nachlässig die Schultern. „Ist nicht schlimm, ich hab Tee da und Brühe.“
„Komm, ich lade dich auf eine Pizza ein. Hast du eine Karte von einem Bestellservice?“
Tom schüttelte verlegen den Kopf. „Nein, ist zu teuer, die schmeiß ich grundsätzlich alle weg. Hör mal, du musst nicht …“
„Meine Eltern geben mir genug Geld. Mehr als ich brauche. Komm schon, ich hab Hunger und ich werde dir bestimmt nichts voressen.“
„Okay.“ Er wirkte weiterhin unentschlossen, ließ sich aber brummend mitziehen, als Josh sich Jacke und Schuhe schnappte.
„Von hier aus ist es nicht weit bis zum Marktplatz, oder? Wir könnten ins ‚Mama Pepita’, die haben durchgängig auf.“ Es fühlte sich gut an, dass er auch mal den Ton angeben durfte. Tom schien das zu merken, denn er betrachtete ihn lächelnd, ohne etwas zu sagen.
Es war nichts los in der Pizzeria, um diese Uhrzeit, zumal samstags hatten die meisten Leute bereits gegessen. Josh verputzte seine Tagliatelle Carbonara und beobachtete dabei Tom, wie er genüsslich eine riesige Pizza Hawaii aß. Er erinnerte sich an den Kuchen, den Tom bei ihm mit ebensolcher Begeisterung gewürdigt hatte.
„Wovon lebst du eigentlich?“, fragte er.
„Meine Eltern. Sie zahlen die Wohnung, Versicherungen und so weiter und geben mir 125 Euro im Monat.“
„Und davon zahlst du Essen, Trinken, Klamotten, Schulsachen, Benzin …?“
„Yupp.“ Tom grinste matt. „Ich fahr wenig. Mein Handy hat `ne Prepaid-Karte und bleibt sowieso quasi immer aus. Mit Nachhilfe und Ferienjobs komme ich eigentlich ganz gut zurecht.“
„Und was wird nach dem Abi?“
„Da wollen sie mir das Dreifache auslegen, damit ich in Ruhe studieren kann – ah, klar, damit komme ich vermutlich nicht weit …“
„Was willst du denn studieren? Kunst? Du hast ein unglaubliches Talent.“
„Auf keinen Fall! Nein, ich will nicht, dass die Leute meine Bilder ansehen. Sie sind … sie drücken zu viel aus …“ Tom geriet ins Stammeln, schüttelte sich kurz und fuhr dann fort: „Ich werde wahrscheinlich Chemie studieren und in die freie Wirtschaft gehen. Dort kann ich genug Geld verdienen, um meine Eltern zu beruhigen und mir das Zeichnen als Hobby erhalten.“ Es klang nicht so, als wäre das Toms Traumberuf.
„Du könntest Designer werden. Architekt. Illustrator. Es gibt etliche Berufe, in denen du dieses Talent nutzen könntest.“
„Klar.“
Man sah Tom an, dass er über dieses Thema nicht gerne sprach. Wie bei so vielen anderen auch. Josh versuchte, ihn am Reden zu halten:
„Was spricht dagegen, du zeichnest toll!“
„Hm … Ich zeichne vor allem Menschen und … Gefühle.“ Tom wandte den Blick ab, als wäre es ihm peinlich. „Beim Kunststudium müsste ich Vasen und Obstschalen
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