Dawning Sun (German Edition)
sagte Josh leise. Das Gezanke zwischen seinen Eltern und Sascha verstummte. Josh hob ein wenig die Arme, verdrehte den Kopf und starrte seine Familie vorwurfsvoll an.
Die heulen alle nur! Verdammt, warum helft ihr mir nicht, statt hier zu heulen?
„Mir geht es gut. Ehrlich. Ich will keinen Arzt und ich gehe nicht zur Polizei.“
„Wer war das, Joshi?“ Sascha sank neben ihm auf das Bett und musterte ihn eindringlich. Zum Glück berührte er ihn nicht. Josh wusste nicht, was er dann getan hätte.
„Wer war das? Wenn du sie nicht anzeigen willst, sag mir wenigstens die Namen, ich schlag sie allesamt zu Brei!“
„Das wirst du nicht!“, brüllten ihre Eltern im Chor. Josh schüttelte müde den Kopf. „Keine Chance. Nachher muss ich dich im Knast besuchen, und das wäre mir lästig.“
Himmel, red ich `nen Scheiß …
„Warum willst du nicht zur Polizei? Hast du Angst vor diesen Kerlen? Wir können dich doch beschützen!“ Sein Vater rang verzweifelt mit den Händen.
„Wie denn, Papa? Indem ich das Haus nie wieder verlasse?“
Josh schloss erschöpft die Augen. Er wünschte, sie würden ihm auf die richtige Art helfen. Ihm einfach zeigen, dass sie ihn verstanden und liebten, ihm Schultern zum Anlehnen bieten und zugleich den Freiraum, den er so dringend benötigte. Ihr Geheule machte alles nur noch schlimmer!
„Oh Gott, ich ertrag das alles nicht!“ Seine Mutter schluchzte und rannte schließlich aus dem Zimmer raus.
Was erträgst du nicht? Niemand hat dich geschlagen, und Gott mag vielleicht dabei gewesen sein, gesehen hab ich ihn nicht …
„Ich bin müde“, sagte er zu Sascha, der ihn ebenso hilflos anschaute wie ihr Vater. „Ihr könnt nichts tun. Es ist geschehen, Feierabend. Ich mach mein Abi und dann ist diese Schule für mich gestorben.“
„Ich lass dich nicht mehr dahin gehen! Glaub nicht, dass du auch nur noch einen Fuß in diese Schule setzen wirst!“
„Und ich gehe doch!“ Josh stellte verwirrt fest, dass er mit geballten Fäusten vor seinem Vater stand und ihn anbrüllte. Wann war er aufgestanden? „Es sind bloß ein paar Wochen! Die haben mich seither nicht wieder angerührt, keiner von denen. Ich weigere mich, an eine andere Schule zu gehen und ein ganzes Jahr in den Sand zu fahren!“
Sein Vater glotzte ihn sprachlos an. Sein Mund öffnete und schloss sich mehrmals, wie bei einem Fisch.
„Ist gut. Reg dich nicht auf. Es ist gut“, brabbelte er endlich und floh zur Tür hinaus. Sascha hingegen lehnte mit verschränkten Armen am Kleiderschrank und betrachtete ihn, als wäre Josh eine fremde Spezies.
„Was?“, fauchte Josh überreizt.
„Ich weiß es noch nicht.“
Mit diesem kryptischen Satz ließ auch Sascha ihn allein und schloss leise die Tür.
Josh blieb schwer atmend im Raum stehen. Blind griff er neben sich ins Regal, zog heraus, was er erwischte und betrachtete das Buch in seinen Händen. Das kleine Gespenst. Gutes Buch. Wie geschaffen für Kinder. Er warf es mit aller Kraft an die Wand. Das nächste Buch. Die gesammelten Werke von Astrid Lindgren. Er befand sich wohl neben dem Regal mit seinen alten Kinderbüchern, bei denen seine Mutter darauf bestanden hatte, dass sie auf gar keinen Fall aussortiert werden durften. Es waren schließlich Klassiker.
„Sorry, Frau Lindgren“, murmelte er. Das schwere gebundene Buch besaß schlechtere Flugeigenschaften als sein Vorgänger, und erwies sich zudem als weniger stabil – es fiel auseinander, sobald es auf dem Boden landete. Dafür richtete es größeren Schaden an Tapete und Putz an. Die Burg Schreckenstein-Bände klatschten mit befriedigender Leichtigkeit gegen die Wand und sahen danach noch recht gut aus. Das große Märchenbuch der Gebrüder Grimm erlitt wiederum Totalschaden.
Methodisch zog Josh ein Buch nach dem anderen hervor und warf sie mit sorgsam trainierter Kraft und Präzision immer an dieselbe Stelle. Er schrie die ganze Zeit über. Es war so unglaublich befreiend, fast, als würde er eine Last von sich werfen, die ihn jahrelang festgekettet hatte.
Erst, als er keine Kinderbücher mehr übrig hatte, hörte er auf. Alles, was noch in den Regalen stand, las er weiterhin gerne und sollte erhalten bleiben.
Mit grimmigem Triumphgefühl räumte Josh seine Bücher um, für die er jetzt viel mehr Platz hatte. Er war nicht länger müde, fühlte sich nur irgendwie seltsam im Kopf. Der Boden war übersät mit losen Blättern und zerstörten Einbänden. Josh hob einen davon auf. Ein Fünf-Freunde-Band.
Nun, hier lagen mehr als
Weitere Kostenlose Bücher