Days of Blood and Starlight
der erste Kirin, den er seit Madrigals Tod sah, doch als er sich bewegte – auswich, zuschlug, tötete, als würde er tanzen –, verstand er, dass der Mann kein flüchtender Sklave war, sondern ein Soldat.
Jael hatte einen Rebellen gefunden. Hier war Akivas Chance, Erbarmen zu zeigen, seine Bestimmung zu erfüllen. Dem Leben zu dienen. Als die Dominion den Kirin schließlich zu Boden zwangen, als Jael über ihm stand und seine Ärmel hochkrempelte, da wusste Akiva, dass all seine Hoffnung von diesem Moment abhing. Ein neuer Wiedererwecker. Das Turibulum. Karou. Würde Jael die Rebellen finden, oder würde Akiva ihm zuvorkommen?
Wie hatte Hazael es ausgedrückt? »Meinst du, wir werden heute viele Vögel finden?«
Tatsächlich sahen sie eine Menge Vögel, denn von ihrem Aussichtspunkt konnte Akiva deutlich die Schwärme von Blutgeiern und Schwallkrähen erkennen, denen die lodernden Flammen ihre Beute geraubt hatten. Natürlich hatte Hazael nicht wirklich Vögel gemeint.
Doch nicht einmal er wusste, wozu Akiva fähig war.
***
Wie Ziri Karou erzählte, hatte es als Geräusch begonnen. Erst nur ein leises, zittriges Flüstern wie aus weiter Ferne, steigerte es sich bald zu einem gewaltigen Brüllen. Im ersten Moment dachte Ziri, es käme von den Engeln, aber seine Häscher schienen davon ebenso irritiert wie er und sahen sich beunruhigt um. Ziri selbst lag auf dem Rücken in der Asche, die Arme weit ausgebreitet, die Hände … fixiert. Jael hatte sie mit den Schwertern zweier Soldaten, die er getötet hatte, am Boden festgenagelt.
Jeder Tritt erschütterte die Klingen, und der Schmerz begann in seinen Handflächen, hörte aber dort nicht auf. Er beherrschte seine Gedanken, ergriff von ihm Besitz. Der Schmerz war Ziris ganze Welt, und in den kurzen Momenten zwischen den Tritten, in denen er ganz still dalag und wieder denken konnte, kam die Angst zurück – die Angst davor, was er tun und sagen würde, um diese Qual zu beenden.
Noch hatte er den Engeln nichts verraten, aber sie waren auch noch lange nicht fertig mit ihm. Jael ging neben ihm in die Hocke, mit einem Helm voller Asche in der Hand. »Das war noch vor wenigen Stunden ein Freund von dir«, raunte er. »Mach den Mund auf.«
»Nein!«
Sie rissen seinen Mund mit den Fingern auf. Ziri spürte die Hitze des Helms auf seinen Lippen und schmeckte Asche, als Jael sie langsam ausschüttete. Er wehrte sich, er kämpfte, aber die Asche füllte seinen Mund, seinen Hals, und er erstickte an seinen eigenen Kameraden, ertrank in Tod. Fieberhaft rang er nach Luft, aber mit jedem Atemzug sog er Asche in seine Lungen, nur Asche und keine Luft, er verbrannte von innen. Endlos erstreckte sich die Zeit, Lichtpunkte erschienen vor seinen Augen, und die Seraphim verschwammen: ihre hämischen Gesichter, Jaels widerwärtiger, sabbernder Mund. Und dann war da nur noch der Schmerz, Brennen und Keuchen, heißes, atemloses, qualvolles Sterben …
Sterben.
Und dann Wasser.
Auch das Wasser erstickte ihn fast, aber es spülte die Asche weg, und dann hustete er alles aus, atmete Wasser und Asche, aber auch Luft und starb nicht.
»Hilft das deiner Erinnerung auf die Sprünge?«, fragte Jael. »Ich hab den ganzen Tag Zeit.«
Die Qual war übermächtig. Früher oder später würde sie die Fäden in die Hand nehmen, ihn zu ihrer Marionette machen, und dann würde Ziri alles tun, was Jael von ihm wollte. Ihm alles erzählen.
Nein.
Wieder tauchte der Helm auf. Ziri spannte sich an, wehrte sich. Biss die Zähne so fest zusammen, dass sie seinen Mund nicht öffnen konnten.
Und da schnitten sie ihm das Lächeln ein.
Der Helm lag wieder an seinen Lippen, als das Geräusch erklang. Die Engel hielten inne, und der Helm rutschte zu Boden, als sie sich verwirrt umblickten. Sie zogen ihre Waffen, doch das Summen wurde zu einem überwältigenden, allumfassenden Dröhnen und schwoll immer weiter an. Es wurde mehr als ein Geräusch. Es wurde Schatten.
Und dann schien der Himmel ein Eigenleben anzunehmen. Chaotisch und bunt. Laut. Er verschob sich. Kam näher.
Es war ein Phänomen.
Es war … ein Ablenkungsmanöver.
»Da waren Vögel«, erzählte Ziri kopfschüttelnd. »Zuerst Blutgeier und dann auch andere. Alle möglichen Arten. Ich weiß nicht, wie viele Tausende. Der Himmel war voller Vögel, Karou, voller Vögel , und sie kamen direkt auf uns zu.«
»Haben sie euch angegriffen?« Karou lehnte sich vor, und ihre Augen weiteten sich.
Ziri schüttelte den Kopf. »Nein, sie sind
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