Days of Blood and Starlight
fragte Zuzana mit normaler Stimme: »Moment, heißt das, du bist eine Frau ?«
Sie meinte nur, dass es seltsam war, Zuzana – und sich selbst – als Frau zu sehen und nicht als Mädchen ; es klang einfach so merkwürdig alt. Aber Zuzanas Augenbrauen fingen natürlich sofort wild und ach so vielsagend an zu wackeln. »O ja, das bin ich! Dieser Mann hat mich zur Frau gemacht. Erst mal hat es saumäßig weh getan, aber dann ist es viel besser geworden.« Sie grinste wie eine Anime-Figur. »Sehr viel besser.«
Der arme Mik wurde knallrot, und Karou hielt sich schnell die Ohren zu. »La la la«, sang sie, und als Ziri fragte, worüber sie redeten, errötete sie auch und antwortete nicht – was wiederum dazu führte, dass er das Gesprächsthema erriet und ebenfalls rot wurde.
Am Ende des ersten Tages hatten sie fünf neue Soldaten für die Rebellion erschaffen, doppelt so viele wie durchschnittlich mit Ten, und das trotz des späten Beginns und der Tatsache, dass sie Zuzana und Mik erst einmal die Grundlagen hatte erklären müssen. Um Thiago zu beschwichtigen, hatten sie sich an seine Wunschliste gehalten, obwohl Zuzanas wahllos herausgezogenes Turibulum – wegen dem sie Karou seit ihrem ersten Nachmittag in der Kasbah in den Ohren lag – Haxayas Seele enthielt. Die Fuchssoldatin war einst eine gute Freundin von Madrigal gewesen, und ihre Seele war wie Sonnenuntergang und Lachen, mit einem brennnesselscharfen Sarkasmus: Die Füchsin war jemand, den man auf seiner Seite haben wollte … ein Gedanke, bei dem Karou sich plötzlich fragte, wer sonst noch auf ihrer Seite war.
Wem konnte sie vertrauen? Die Chimärensoldaten waren ihrem General schon immer treu ergeben gewesen, daran hatte sich nichts geändert. Aber natürlich hatte sie Issa, und Ziri, der allein damit, dass er zu ihr kam und den Schmerztribut bezahlte, ein großes Risiko einging. Außerdem vielleicht den Rest von Balerios’ abtrünniger Patrouille, doch der Bullenzentaur und seine Männer waren immer noch in Stase, so dass sie es nicht mit Sicherheit wusste. Sie vermutete, dass Amzallag unzufrieden war mit Thiagos Taktiken, und vielleicht auch Bast. Auch Virko war ihr sympathisch, er hatte ein heiteres, unkompliziertes Wesen, und danach zu urteilen, wie er sich übergeben hatte, war er auch kein Fan von Thiagos Terrormissionen – aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich dem Weißen Wolf offen widersetzen würde.
Und wie sollte sie das auch von ihm erwarten? Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, selbst dem Wolf die Stirn zu bieten, ganz zu schweigen davon, andere dazu aufzufordern. Sie hatte Ziri von ihrem Verdacht erzählt, dass Thiago sie umbringen wollte, und beunruhigenderweise hatte er nicht sonderlich überrascht gewirkt. »Er braucht die absolute Kontrolle«, meinte er. »Und du hast längst bewiesen, dass du seinem Charme nicht verfallen bist.«
Ja, wenigstens das hatte sie dem Weißen Wolf gezeigt. Doch das änderte nichts an ihrer Rastlosigkeit – immer und immer wieder schoss ihr dieselbe Frage durch den Kopf: Was kann ich tun?
Sie konnte nicht länger widerspruchslos mitmachen. Der Kurs, den Thiago eingeschlagen hatte, war barbarisch, was an sich schon schlimm genug war, aber darüber hinaus stürzte er sein eigenes Volk ins Verderben. Man musste sich nur ansehen, was mit den südlichen Chimärenstämmen passiert war. Ein ums andere Mal ertappte Karou sich bei dem Gedanken, dass die Soldaten seine Strategie niemals unterstützen würden, wenn sie Ursache und Wirkung durchschauen würden – wenn sie es ihnen irgendwie klarmachen könnte. Ein überflüssiger Gedanke, denn sie verstanden es natürlich ohnehin schon. Das war ja das Allerschlimmste: Trotzdem hatte sich nur eine einzige Patrouille Thiago widersetzt, als er ihnen befohlen hatte, Frauen und Kinder zu töten.
Und sie konnte sich ihm auch nicht widersetzen. Er war eine Art Gott für die Chimärensoldaten, und was war sie? Eine Engelsfreundin in Menschengestalt. Und selbst wenn irgendjemand auf sie hören würde, hatte sie einfach nicht das Zeug zum Anführer. Es war lange her, seit sie auch nur eine Soldatin gewesen war, und sie hatte schlichtweg Angst. Vor der Verantwortung, vor dem Imperium, vor der geringen Überlebenschance und am allermeisten vor Thiago selbst. Mehr als alles andere fürchtete sie die Bosheit in seinen Augen.
»Vielleicht ein andermal«, hatte sie zu Zuzana gesagt, während sie Haxayas Turibulum wieder schloss und es wegstellte. »Lass
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