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Days of Blood and Starlight

Days of Blood and Starlight

Titel: Days of Blood and Starlight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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in Zukunft Chimären geben wird oder nicht, hängt davon ab, was wir jetzt machen.«
    Da breiteten die Lebenden Schatten ihre leisen Flügel aus und erhoben sich mit der Anmut von Träumen in die Luft, schwebten über den Köpfen ihrer Kameraden hinweg und landeten schwerelos an Karous Seite. Sie sagten nichts; sie sprachen nur selten. Doch ihr Standpunkt war klar: Die eleganten Köpfe hoch erhoben, die Augen trotzig. Eine plötzliche Gefühlsaufwallung raubte Karou fast den Atem. Und es war Macht, was sie fühlte. Amzallag, Tangris, Bashees, Issa. Wer noch? Sie sah die anderen an – die meisten wirkten wie gelähmt. In einigen Augenpaaren jedoch entdeckte Karou eine Bosheit, die der des Wolfs ähnelte, und sie begriff, dass es diejenigen waren, deren Hass niemals wieder von Hoffnung berührt werden würde. In manchen anderen entdeckte sie Angst.
    In zu vielen anderen. Aber Bast würde auf ihre Seite kommen; Karou beschwor sie in Gedanken, den Schritt zu wagen. Sie stand kurz davor. Emylion, Hvitha? Virko?
    Und Thiago? Reglos stand er da und starrte Karou an, und sie erinnerte sich, wie er im Requiem-Hain auf sie herabgeblickt hatte, damals, in einem anderen Leben. Genau die gleiche Brutalität lag wieder in ihm, geblähte Nasenflügel und wilde Augen, aber dann … sah sie, wie er sie zurückzog. Sie wurde Zeugin, wie er seinen Zorn bezähmte, wie er listig, berechnend und mit großer Anstrengung die Maske wieder aufsetzte. Diese verlogene Milde, die schrecklicher war als Hass oder Angst. Diese riesengroße, gewaltige Lüge. »Meine liebe Karou«, sagte er. »Du argumentierst sehr überzeugend.«
    Warte , dachte Karou. Nein.
    »Ich werde mir deine Ausführungen durch den Kopf gehen lassen«, fuhr er fort. »Selbstverständlich. Wir werden alle Möglichkeiten durchdenken, einschließlich der Frage – die wir uns ja nun frohen Herzens stellen dürfen –, wie wir die Seelen aus der Kathedrale einsammeln können.«
    Karous gerade erst gewonnenes Machtgefühl fiel in sich zusammen. Indem er ihr diesen kleinen Sieg zugestand, nahm der Wolf ihr die Chance auf einen größeren. Jetzt brauchte keiner der anderen Soldaten mehr seinen Mut zusammenzunehmen und sich auf ihre Seite zu schlagen, und die allgemeine Erleichterung war spürbar, das sah Karou an der Haltung und den Gesichtern der Soldaten. Sie wollten sich nicht für eine Seite entscheiden. Sie wollten sich nicht für Karou entscheiden, denn es war viel leichter, sich von ihrem General führen zu lassen. Bast wollte sie nicht einmal anschauen. Ihr Feiglinge , dachte sie und begann zu zittern, während all ihre forcierte Courage zu Frustration zerbröselte. Glaubten die anderen wirklich, dass der Weiße Wolf es in Erwägung ziehen würde, seinen Kreuzzug zu beenden – oder auch nur zu unterbrechen? Sieg und Vergeltung. Er würde sein Banner herunterreißen und ein neues anfertigen lassen müssen. Sehnsüchtig dachte Karou an das Symbol des Kriegsherrn: ein Geweih, aus dem Blätter sprießten. Neues Wachstum. Wie wundervoll – und wie unerreichbar.
    Und nun war der Rest dieser Soldaten ebenfalls unerreichbar. So schnell. Thiago war es gewohnt, Macht auszuüben, und für sie war es absolutes Neuland. Mühelos nahm er ihr das weg, was sie errungen hatte, und machte sich die Energie der Armee für seine eigenen Pläne zunutze.
    Seine Pläne, die begrabenen Seelen aus der Kathedrale einzusammeln.
    Amzallag selbst war der Erste, der sich freiwillig dafür meldete. Eifrig trat er vor, und ein paar andere folgten seinem Beispiel. Karou stand da wie angewurzelt, mehr oder weniger vergessen. Issa nahm ihre Hand und drückte sie, teilte ihr auf diese Weise ihre Betroffenheit mit, während die Lebenden Schatten verschwanden, bevor Karou ihnen danken konnte, und bald darauf vertrieb die Hitze der herabbrennenden Sonne die meisten aus dem Hof.
    Der Tag verging in dieser Atmosphäre neuer Energie. Karou und Issa beobachteten und lauschten, und Thiago schien genau das zu tun, was er versprochen hatte: alle Möglichkeiten zu bedenken, zum Beispiel, wie man in einem Gebiet, das vom Feind kontrolliert wurde, mit den Ausgrabungen beginnen konnte, und sogar, was im Süden zu tun war, damit möglichst viele Chimären das Fernmassiv erreichten. Genau das, was Karou wollte, und ihr Herz wurde schwer, weil sie wusste, dass es nur ein Schachzug im Spiel des Weißen Wolfs war. Ein Täuschungsmanöver. Aber was steckte dahinter, was sollte damit getarnt werden? Worum ging es in

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