Days of Blood and Starlight
Augenblick erinnerte Akiva sich an das Gesicht seiner Mutter. An ihre Stimme. Es war lange her – Jahrzehnte –, und es waren nur Fragmente, aber die Wirkung war unmittelbar: Fokus und Klarheit, zu einem einzigen Strahl gebündeltes Licht.
Die Wirkung war Sirithar .
Eigentlich hatte Akiva geglaubt, Sirithar zu kennen. Es war Teil seines Trainings, jahrelang hatte er Morgen-Katas geübt, das ruhige Zentrum seines Selbst gesucht – es war schwer zu finden, aber inzwischen glaubte er es zu kennen. Doch was jetzt geschah, war anders. Wahr und unmittelbar und unauslöschlich. Kein Wunder, dass er es nicht verstanden hatte; sicher hatte auch keiner seiner Anleiter diesen Zustand jemals erreicht.
Es war Magie.
Nicht die Art Magie, die er für sich entdeckt hatte, zusammengestückelt aus Vermutungen und Schmerz. Es war, als hätte er sein Leben damit zugebracht, im Dreck zu scharren und zu graben, und jetzt würde er endlich den Kopf heben und den Himmel sehen, mit seinem unendlichen Horizont, seiner unermesslichen Weite. Was immer die Quelle von Macht oder Magie sein mochte, es war nicht der Schmerz. Der Schmerz in seiner Schulter war sogar verschwunden. Was ist das? Leicht, schwebend, schwerelos, eine tiefe Ruhe, in der die Welt um ihn herum sich zu verlangsamen und zu kristallisieren schien, so dass er alles sah – wie Japheths Kiefer sich anspannte, um ein Gähnen zu unterdrücken, den flüchtigen Blickwechsel zwischen Hellas und Jael, das Pulsieren von Jorams Halsschlagader. Die Hitze und das leise Auf und Ab von Atem und Flügeln, jede Bewegung malte die Spur einer Absicht in die Luft. Er wusste, dass die junge Dienerin sich aus der Hocke aufrichten würde, bevor sie es wirklich tat: Ihr Licht ging ihr voraus, sie schien ihm lediglich zu folgen. Gleich würden Jorams Hände sich heben; Akiva sah es, dann erst taten sie es. Endlich band Joram seinen Bademantel zu. Er sprach noch immer, jedes Wort so klar und real wie ein Flusskiesel. Akiva wusste, dass alles, was er in diesem Zustand hörte, unauslöschlich in seinem Gedächtnis gespeichert wurde.
Dass er die letzten Worte seines Vaters niemals vergessen würde.
Und er wusste, wie seine letzten Worte lauten würden.
»Du wirst zu ihnen gehen«, sagte Joram mit der blasierten Gewissheit des absoluten Herrschers. Akiva begriff, dass er nie hätte befürchten müssen, verdächtigt zu werden. Joram war so von seiner eigenen Legende erfüllt, niemals würde es ihm in den Sinn kommen, dass jemand ihm nicht gehorchen könnte. »Zeig ihnen, wer du bist. Wenn sie dich anhören, gib ihnen mein Versprechen. Wenn sie sich ergeben und auf ihre Magi verzichten, dann werde ich ihnen nicht das gleiche Schicksal widerfahren lassen wie den Monstern. Die Stelianer schaffen es ganz gut, Boten aus der Luft zu schnappen, aber was wollen sie gegen fünftausend Dominion ausrichten? Haben sie überhaupt eine Armee? Glauben sie, dass sie mich einfach wegschicken können?«
Du verstehst nicht einmal ansatzweise, wie himmelhoch sie dir überlegen sind. Ein Teil von Akiva wollte sich im Kreis drehen und die Flüsse von Licht bewundern, die durch die Glasschichten des »Schwert«-Gebäudes schwammen, wollte die Hände heben und sie anstarren, als wären sie neu erschaffen, als wäre er selbst eine vollkommen neue Kreatur, geboren aus den gleichen Lichtstrahlen.
Licht, das Feuer verhüllte.
Eine Stimme, aus der fernen Vergangenheit. »Du gehörst nicht ihm.« Es war ihre Stimme, ein wohlklingendes Vibrato, akzentuiert und kräftig. Es war jener Tag. »Und du gehörst nicht mir. Du gehörst nur dir selbst.« Sie hatte nicht geweint. Festival. Sie hatte nicht versucht, ihn festzuhalten oder mit den Wachen zu ringen, und sie hatte sich nicht von ihm verabschiedet, denn das forderte das Schicksal heraus, wie Jael vorhin gesagt hatte.
Hatte sie geglaubt, ihn wiederzusehen?
»Hast du sie umgebracht?«
Er hörte, wie er diese Frage stellte, und war sich vieler Dinge gleichzeitig bewusst: der plötzlichen Stille der Berater; dass Namais und Misorias die Hände auf ihre Schwertgriffe legten; des aufflammenden Interesses von Japheth, der auf einmal nicht mehr das Bedürfnis hatte zu gähnen. Hinter sich brauchte er Hazael und Liraz nicht zu sehen, um zu wissen, dass ihre Muskeln sich lockerten und kampfbereit machten; er wusste auch, dass Liraz bereits ihr nervenzermürbendes Kampfeslächeln lächelte. »Hast du meine Mutter umgebracht?«
Er sah die Augen seines Vaters, nicht im Geringsten
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