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Days of Blood and Starlight

Days of Blood and Starlight

Titel: Days of Blood and Starlight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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genau wussten, wo sie sich befanden, wer sie wiedererweckt hatte und was mit Eretz passiert war. Und es gab die Seelen aus den Turibula: die Soldaten, die in Kap Armasin gestorben waren und nicht einmal wussten, dass Loramendi gefallen war, geschweige denn, dass sie in eine andere Welt hatten fliehen müssen.
    Wenn sie Karou begegneten, blinzelten sie ihre Wiedererweckerin verständnislos an, ohne sie zu erkennen. Und wie sollten sie auch? Ein blauhaariges Mädchen ohne Hörner oder Flügel? Sie war eine Fremde.
    Natürlich hörte Karou nie, was die anderen später über sie erzählten, wenn den Neuerweckten die Wahrheit offenbart wurde. Sie stellte sich gerne vor, dass jemand ein gutes Wort für sie einlegte – sie ist eine von uns; sie ist unser neuer Wiedererwecker; sie hat dich zurückgebracht, sie hat uns hierhergeführt, und sieh mal da drüben: Essen! –, hielt es jedoch für wahrscheinlicher, dass sie Dinge sagten wie: Wir haben keine andere Wahl, wir brauchen sie. Oder – das dachte sie in eher finsteren Momenten –: So gerne wir es auch tun würden, wir können sie nicht einfach umbringen. Noch nicht.
    Letzteres hatte Razor aber offensichtlich noch niemand mitgeteilt.
    »Du« , grollte er.
    Und stürzte sich auf sie.
    Schnell – schneller als Ten, die strauchelte – sprang Karou auf die Füße und wich zurück. Razor landete auf dem Tisch, genau dort, wo sie gerade noch gesessen hatte. Mit einem lauten Krachen gab die Holzplatte unter seinem Gewicht nach, die beiden Einzelteile klappten in die Höhe und brachen V-förmig unter ihm durch. Das Wasserfass kippte, schwappte über, landete mit einem ohrenbetäubenden Donnern auf dem Boden, und plötzlich waren alle Chimären in Bewegung, wuselten durcheinander, bis auf den Heth, der sofort wieder fokussiert und angriffsbereit war.
    »Engelfreundin!« , stieß er hervor, und heiße Scham durchzuckte Karou.
    Das Wort war die schlimmste Erniedrigung; in keiner von Karous menschlichen Sprachen gab es eine Beleidigung, die auch nur ansatzweise derartige Verachtung und Abscheu ausdrückte. Es war schon grausam, wenn man es im übertragenen, metaphorischen Sinn benutzte.
    Noch niemals hatte es auf jemanden wörtlich zugetroffen, außer auf sie.
    Ein kurzes Schwanzzucken, und Razor schnellte nach vorn. Obwohl sein Reptilienkörper – eine Mischung aus Komododrachen und Kobra – gigantisch war, bewegte er sich geschmeidig und blitzschnell.
    Dafür hatte Karou selbst gesorgt. Diese Gewandtheit, diese Schnelligkeit hatte er ihr zu verdanken. Notiz an mich selbst …, dachte sie, und hechtete zur Seite. In Sachen Kraft und Robustheit konnte sie sich zwar nicht ansatzweise mit dem Heth messen, aber gewandt und schnell war sie auch. Sie tänzelte einige Schritte zurück, und ohne sie bewusst gezogen zu haben, hielt sie auf einmal ihre Mondsichelklingen in den Händen. Razors Löwengesicht, das auf ihrem Fußboden ruhend so schön und friedlich ausgesehen hatte, war von Hass grotesk verzerrt. Er riss das Maul auf, und heraus kam ein bitteres, gequältes Brüllen.
    »Hast du eine Ahnung, was ich deinetwegen verloren habe?«
    Sie wusste es nicht und wollte es auch gar nicht wissen. Deinetwegen, deinetwegen. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten, aber ihre Hände hielten die Mondsichelklingen. »Es tut mir leid«, stieß sie hervor, und ihre Stimme klang schwach im Vergleich zu seiner und selbst in ihren eigenen Ohren alles andere als überzeugend.
    Dann war Ten bei ihm und redete leise und eindringlich auf ihn ein, aber auch sie konnte ihn nicht beruhigen. Razor drängte sich einfach an ihr vorbei. Und auch an Bast, die gar nicht erst versuchte einzugreifen. Sicher, sie war nur ungefähr halb so groß wie er, aber Amzallag hätte ihn mühelos aufhalten können. Doch er zögerte, blickte unentschlossen zwischen Razor und ihr hin und her. Karou wich erneut zurück. Die anderen standen einfach nur da, und plötzlich kochte die Wut in ihr hoch. Ihr undankbaren Arschlöcher , dachte sie, was völlig unerwartet eine Saite von Humor in ihr zum Klingen brachte. Zuzana und sie hatten immer alles als »Arschloch« bezeichnet – Kinder, Tauben, gebrechliche alte Damen, die Karous Haare missbilligend beäugten –, und irgendwie hatte das nie aufgehört, witzig zu sein. Arschloch, Ritze, Orificium . Da stand sie diesem Löwen-Drachen, diesem Monster mit der klebrigen Seele, gegenüber, und auf einmal erschien auf ihrem Gesicht ein absolut unangemessener Ausdruck: ein

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