Days of Blood and Starlight
Hazael zu. Und dann wandte er sich von den Flüchtlingen ab. Er watete ein paar Schritte in den Bach hinein, was seltsam lässig, ja fast komisch aussah, pflückte eine der Blumen, die auf dünnen Stängeln am Rand des Bachs wuchsen, und steckte sie in einen Spalt in seinem Kettenhemd.
Dort war sie noch immer.
Jetzt nahm er sie heraus, überreichte sie Liraz, und Akiva spannte sich unwillkürlich an, weil er befürchtete, Hazael könnte ihrer Schwester erzählen, dass sie heute ein ganzes Chimärendorf gerettet hatten – und noch dazu einen Dashnag, der zwar noch ein Junge war, aber sicher zu einem Soldaten heranwachsen würde. Was würde Liraz davon halten?
Aber Hazael sagte nur: »Ich hab dir ein Geschenk mitgebracht.«
Liraz nahm die Blume entgegen, sah erst sie und dann Hazael ausdruckslos an, steckte sich die Blume in den Mund … und aß sie. Kaute ordentlich und schluckte.
»Hm«, machte Hazael. »Das ist nicht die übliche Reaktion.«
»Verschenkst du oft Blumen?«
»Ja«, antwortete er, und wahrscheinlich stimmte das sogar. Hazael hatte ein erstaunliches Talent dafür, trotz all der Einschränkungen, denen sie als Soldaten und vor allem als Unselige unterlagen, das Leben zu genießen. »Ich hoffe, sie war nicht giftig«, grinste er.
Aber Liraz zuckte nur die Achseln. »Es gibt schlimmere Arten zu sterben.«
Der Tod beherrschte sie alle
»Da bist du ja«, grollte Ten, als sie Karou in ihrem Versteck entdeckte.
»Ja, hier bin ich«, bestätigte Karou und musterte die Wölfin argwöhnisch. »Wo hat er sie hingeschickt?«, wollte sie wissen.
»Wen?«
»Die Sphingen. Wo hat er sie hingeschickt? Auf was für eine Mission?«
»Ich weiß es nicht, Karou. Irgendwo nach Eretz, um zu tun, was sie tun. Können wir uns jetzt endlich wieder an die Arbeit machen?«
Karou wandte sich wieder zum Hof. Die Chimärensoldaten hatten sich um Thiago geschart, und alle starrten in den Himmel, wo die Lebenden Schatten verschwunden waren. Geh schon , drängte Karou sich innerlich. Geh hin und frag ihn. Aber sie konnte sich einfach nicht dazu durchringen, sich in die Gruppe zu drängen und ihre teils misstrauischen, teils offen feindseligen Blicke auf sich zu spüren, oder ihre Stimme zu erheben und das aufmerksame Schweigen zu durchbrechen.
Als Ten ihr eine Hand auf den Arm legte und sagte: »Komm schon. Erst Emylion, dann Hvitha. Wir haben eine Armee zu erschaffen«, da war sie fast erleichtert. Angsthase.
Widerstandslos ließ sie sich zu ihrem Zimmer zurückführen.
***
Dank Nurs Heilkunst konnte Sarazal ihr Bein schon nach zwei Tagen wieder belasten, aber sie war so erschöpft, dass Rath sie trotzdem noch die meiste Zeit über trug – seit neuestem in einem Tragegurt am Rücken, den sie extra für diesen Zweck angefertigt hatten. Sveva fühlte, wie sich eine schwere Last von ihren Schultern löste. Ihre Schwester würde wieder gesund werden, und sie würden zusammen zu ihrer Familie zurückkehren, nur … nur noch nicht jetzt gleich. Es war nicht leicht, in die falsche Richtung zu laufen, aber der Weg nach Norden barg zu viele Gefahren. Zu viele Seraphim lauerten zwischen ihnen und ihrer Heimat.
Es geht uns gut, Mama. Wir sind am Leben. Diese Gedanken sandte Sveva immer wieder aus und stellte sich vor, sie wären Schwallkrähen, die schnell wie der Wind übers Land fliegen und ihrer Mutter die Nachricht überbringen würden. Sie ertrug es einfach nicht, sich die Wahrheit einzugestehen – dass ihre Eltern mit Sicherheit dachten, sie wären tot, für immer verloren. Die Engel haben uns verschont, sagte sie im Stillen zu ihrer Mutter, auch wenn sie es selbst noch nicht recht fassen konnte. Ihr Leben fühlte sich auf eine seltsame Art neu an; vielleicht hatte sie es erst fast verlieren müssen, um es wirklich schätzen zu lernen. Wenn du einen Engel mit Augen wie Feuer triffst, oder einen anderen mit einer Moorlilie in seiner Rüstung, dann töte sie nicht.
Ihr Ziel waren die Berge im Süden, wo sie Gerüchten zufolge Schutz finden würden. Es war ein langer Marsch, und wann immer sie unterwegs anderen Chimären begegneten, drängten sie sie, so bald wie möglich aufzubrechen. Zwei Brüder aus dem Stamm der Hart schlossen sich ihnen an, aber sie achteten sorgsam darauf, ihre Kolonne nicht zu stark anwachsen zu lassen. In einer großen Gruppe zu reisen war gefährlich, und warum ein zusätzliches Risiko eingehen, wenn es sich vermeiden ließ? Wenn das Blätterdach über ihnen nicht völlig lückenlos war,
Weitere Kostenlose Bücher