Days of Blood and Starlight
Todesmale in die Haut einzugravieren.
»Es sieht aus, als wolltest du deine Strichliste vergrößern«, antwortete Liraz, »aber das kann nicht sein, oder? Kein Soldat, der etwas auf sich hält, würde den heutigen Tag in seine Hand eintätowieren.«
Heute. Heute. Was hatte Liraz’ Patrouille heute getan? Akiva wusste es nicht. Als Hazael und er nach ihrem eigenen freudlosen Tag wieder zu ihr gestoßen waren, hatte ihre Schwester sie auf eine Art angesehen, die sie herauszufordern schien, danach zu fragen. Aber er wollte es gar nicht wissen. Mehrere der Soldaten aus ihrer Patrouille hatten Verletzungen davongetragen: Peitschenstriemen, ein paar Bisswunden. Keine schweren Verletzungen, aber sie waren aufschlussreich genug.
Akiva hatte auch nicht erzählt, was er getan hatte, als sie in einer kleinen Schlucht im Süden und Osten auf Chimären gestoßen waren. Nicht einmal mit Hazael hatte er darüber gesprochen oder auch nur einen Blick mit ihm getauscht, der anerkannt hätte, dass es überhaupt passiert war.
Der springende Punkt war, dass die Todesmale für Chimärensoldaten standen, die sie in der Schlacht getötet hatten. Nicht für flüchtende Dorfbewohner.
»Sie waren bewaffnet«, sagte der Soldat mit einem Achselzucken.
»Oh, bringt man euch das in der Bauernarmee bei?«, fragte Liraz. »Dass ein Sklave mit einem Messer in der Hand ein würdiger Gegner ist?« Sie deutete auf seine Hände, auf die schwarzen Linien, die seine Finger überzogen. »Wie viele von denen haben sich ernsthaft gewehrt? Überhaupt welche?«
Jetzt sprang der Soldat abrupt auf. Er war einen Kopf größer als Liraz, aber wenn er glaubte, dass ihm das einen Vorteil verschaffte, würde er seinen Fehler bald erkennen. Auch Akiva erhob sich – nicht weil er dachte, dass seine Schwester Hilfe benötigte, sondern weil der Grund für ihre Wut ihn überraschte.
»Ich hab mir meine Male verdient«, knurrte der Soldat und baute sich drohend vor ihr auf.
Doch Liraz ließ sich nicht einschüchtern. Durch zusammengebissene Zähne, im schneidenden Tonfall absoluter Verachtung fauchte sie: »Nein, heute nicht.«
»Und was gibt dir das Recht, darüber zu entscheiden?«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem bösen Lächeln. »Warum fragst du nicht die anderen?«
Vielleicht war es dieses Lächeln oder sonst irgendetwas, was er in ihren Augen sah, das seinen arroganten Hochmut ins Wanken brachte. »Soll mir das Angst machen?«
»Also, mir hat es Angst gemacht.« Hazael trat zu ihnen. »Ich kann dir gerne Geschichten über diese Frau erzählen, wenn du sie denn wirklich hören willst. Ich kenne sie schon mein ganzes Leben.«
»Du Glücklicher«, sagte einer der anderen – eine dumme Bemerkung, die mit dummem Gelächter quittiert wurde.
»Oh, ich weiß.« Hazael verzog keine Miene. »Es ist wirklich schön, jemanden zu haben, der einem ab und zu das Leben rettet. Wie oft genau, Lir? Viermal?«, fragte er sie.
Sie antwortete nicht. Akiva trat zu ihnen. »Schließt du neue Freundschaften, Lir?«
»Überall, wo ich hingehe.«
Akiva nickte den anderen Soldaten zu. »Ihr wisst, dass sie recht hat. Unsere Arbeit heute ist nichts, worauf man stolz sein sollte.«
»Wir haben nur unsere Befehle ausgeführt«, erwiderte der Soldat, den Akivas Gegenwart offensichtlich unruhig machte.
»Und wurde euch befohlen, dass ihr es genießen sollt?«
»Komm schon«, flüsterte einer der anderen, zupfte seinen Freund am Ellbogen, und als sie sich zurückzogen, flüsterte jemand: »Unselige …«
»Wenn ich morgen bei irgendeinem von euch frische Tattoos entdecke, schneide ich ihm die Finger ab«, rief Liraz ihnen hinterher.
Der große Soldat, der das Ganze angefangen hatte, stieß ein ungläubiges Lachen aus und sah über die Schulter zu ihr zurück.
»Wenn du mir nicht glaubst, dann probier es ruhig aus.«
»Tu das bloß nicht !«, rief Hazael dazwischen. »Bitte! Ich glaube, sie würde ein bisschen zu viel Gefallen daran finden, Finger zu sammeln.«
Als die anderen Soldaten weg waren, setzte Liraz sich neben Akiva ans Feuer. »Ich komme auch ohne den großen Bestienbezwinger mit solchen Idioten klar.« Sie warf ihrem Bruder einen ärgerlichen Seitenblick zu.
»Und was ist mit mir?«, fragte Hazael gekränkt. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Kerle wegen mir die Flucht ergriffen haben.«
»Ja, es hat ihnen sicher eine Heidenangst eingejagt, als du damit geprahlt hast, wie oft dir deine Schwester schon das Leben gerettet hat«, entgegnete
Weitere Kostenlose Bücher