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Days of Blood and Starlight

Days of Blood and Starlight

Titel: Days of Blood and Starlight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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schienen die Berge die ganze Zeit näher, als sie wirklich waren, fast zum Greifen nah. Wann immer sie die Spitze eines Hügels erreichten, der einfach der letzte sein musste – die letzte Anhöhe, bevor das Land in diese riesigen Granitzacken überging, die aussahen wie die Mauern der Welt selbst –, senkte die Erde vor ihren Füßen sich wieder. Noch ein Tal, das sie durchqueren mussten, noch ein Hügel, den sie erklimmen mussten. Es war wie ein gemeiner Trick.
    Aber dieser hier war wirklich der letzte. Sveva konnte die Stelle sehen, wo die Wiese vor ihnen auf eine Reihe großer Felsen traf.
    »Sie sehen aus wie Zehen an einem großen, fetten Fuß«, hatte sie gerade noch gescherzt und mit den anderen gelächelt. Vor lauter Freude und Erleichterung hatte sie Lell durch die Luft gewirbelt, und die kleine Caprine hatte gelacht. »Die Zehen der Berge«, hatte sie gesungen, »wir haben die Zehen der Berge erreicht!«. Sveva war immer noch umhergetänzelt, Lell fest an die Brust gedrückt und fröhlichen Unsinn trällernd – »Ob es wohl stinkt, zwischen den Zehen der Berge« –, als Sarazal plötzlich erschrocken ausrief: »Svee!«
    Sie blickte zum Himmel auf, und da waren sie. Engel. Die falschen Engel.
    Trotzdem erstarrte Sveva für einen Moment, an einem Ort zwischen Hass und Hoffnung, der bis vor wenigen Tagen überhaupt nicht existiert hatte. Die Engel hatten schon einmal ihr Leben verschont, warum also nicht ein zweites Mal? Wie sie gelernt hatte, löste Erbarmen eine verrückte alchemistische Reaktion aus: Schon ein einziger Tropfen konnte einen ganzen See von Hass verwässern. Seit jenem Tag in der Schlucht sah sie die Seraphim nicht mehr nur als Sklavenhändler und gesichtslose, geflügelte Mörder.
    Als jetzt jedoch zwei Engel in glänzender Rüstung über sie herfielen, mit blutgetränkten Schwertern und ohne jedes Erbarmen in den Augen, da schrie Sveva: »Töte sie!«
    Und Rath stürmte los.
    Die Engel hatten ihn nicht gesehen. Sie lächelten fast, als sie sich ihnen näherten, so unendlich überlegen fühlten sie sich. Was hatten bewaffnete Seraphim schon zu befürchten von einer Herde Caprinen, zwei Dama-Mädchen und zwei grauen, alten Hart? Der Dashnag kam als Letzter über die Hügelkuppe, und so sahen sie ihn erst, als er sich auf sie stürzte und sie zu Boden warf.
    Sie schrien, als er seine Zähne in ihr Fleisch grub.
    Obwohl alles in ihr sich dagegen sträubte, zwang Sveva sich hinzuschauen, und so sah sie, wie einer der Engel einen Arm befreite, sein Schwert hob und es mit voller Wucht auf Raths Rücken niedersausen ließ. Sveva zögerte keine Sekunde – blitzschnell drückte sie Lell ihrer Schwester in den Arm, warf sich mit gezücktem Sklavenjäger-Messer auf den Engel und stieß zu. Die Klinge fand eine Lücke in seinem Kettenhemd, und als sie sich tief in seine Achselhöhle grub, ließ er sein Schwert fallen.
    Und starb.
    So fühlt es sich also an, einen Engel zu töten , dachte Sveva, und plötzlich zitterte sie am ganzen Körper. Es fühlt sich schrecklich an. Ihr Messer war klebrig, und sie spürte, wie ihr die Galle in die Kehle stieg. Sarazal packte sie an der Schulter. »Svee, komm, schnell!«, drängte sie ihre kleine Schwester. Und plötzlich schwammen sie in Schatten, sie alle. Kreisende, jagende Schatten. Noch mehr Engel. Sveva warf den Kopf in den Nacken.
    Viel mehr Engel.
    Rath stieß ein wütendes Brüllen aus. Sveva sah ihre Schwester an, dann Lell, dann Nur, die mit ausgestreckten Armen verzweifelt zu ihrem Kind zu gelangen versuchte, sah all die anderen Caprinen und die beiden alten Hart, und plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Mit wild hämmerndem Herzen umklammerte sie ihr Messer noch fester und deutete auf die Berge in der Ferne. »Lauft!«, schrie sie. Und das taten sie.
    Nur sie selbst blieb an Raths Seite stehen.
    Seht mich an , dachte sie mit seltsamem, kaltem Stolz. Es war ein grauenhaftes Gefühl, jemanden zu erstechen, und sie hätte nie gedacht, dass sie stehen bleiben würde, wenn sie laufen könnte. Sie liebte es zu laufen. Aber in diesem Moment fühlte stehen sich auch gut an und richtig . Sie sah zu Rath. Er erwiderte ihren Blick. Sie dachte, er würde sie vielleicht auffordern zu fliehen, aber er tat es nicht. Vielleicht dachte er, dass es sowieso keinen Sinn hatte, dass sie die Sicherheit der Berge nie erreichen könnte, aber vielleicht … vielleicht war er auch einfach lieber nicht allein. Schließlich war er trotz allem auch nur ein

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