Days of Blood and Starlight
keinen sicheren Ort gibt und kein glückliches Ende.«
»Oder«, erwiderte Hazael übertrieben fröhlich, »vielleicht gibt es auf der anderen Seite gar keine Seraphim, und genau das ist das glückliche Ende: kein wir .«
Abrupt wandte Liraz sich von den Berggipfeln ab. Ihre Stimme, die bis gerade seltsam entrückt geklungen hatte, wurde plötzlich hart. »Ihr wollt nicht mehr wir sein, oder?« Sie sah zwischen ihren Brüdern hin und her. »Denkt ihr, ich merke das nicht?«
Hazael spitzte die Lippen und warf Akiva einen flüchtigen Blick zu. »Also, ich will noch wir sein«, versicherte er Liraz.
»Ich auch«, schloss Akiva sich ihm an. »Immer.« Seine Gedanken trugen ihn zurück in den Himmel der Menschenwelt, wo er sich seinen Geschwistern auf ihrer Jagd nach Karou entgegengestellt und ihnen – endlich – die Wahrheit offenbart hatte. Dass er eine Chimäre liebte und von einem anderen Leben träumte. Schon damals hatte er darauf gehofft, dass seine Schwester mehr war als eine Waffe des Imperators, und auch wenn sie die Vorstellung von »Harmonie mit Bestien« zurückgewiesen hatte, hatte sie sich nicht von ihm abgewandt. Dachte er, er wäre der Einzige, der das Töten leid war? Hazael ging es genauso wie ihm. Und wie vielen anderen? »Aber ein besseres Wir«, sagte er.
»Ein besseres Wir?«, wiederholte Liraz. »Sieh uns doch an, Akiva.« Sie hielt die Hände hoch, damit er ihre Tattoos sehen konnte. »Wir können uns nichts vormachen. Wir tragen die Beweise für unsere Taten immer bei uns.«
»Sie zeigen nur, wie viele wir getötet haben. Es gibt keine Male, die unser Erbarmen zeigen.«
»Selbst wenn es die gäbe, würde ich keine tragen«, erwiderte sie. Akiva begegnete ihrem Blick und sah eine tiefe Traurigkeit in ihren Augen aufblitzen.
»Du musst nur damit anfangen, Lir. Erbarmen erzeugt Erbarmen, genau wie Vergeltung abermals Vergeltung erzeugt. Wir können nicht erwarten, dass die Welt besser ist, als wir sie machen.«
»Nein«, raunte sie leise, und einen Moment dachte er, sie würde mehr sagen, tiefer gehen, seine Geheimnisse fordern. Oder ihre preisgeben? Aber als sie sich wieder umdrehte, sagte sie nur: »Lasst uns von hier verschwinden. Sie verbrennen die Leichen, und ich ertrage den Gestank nicht.«
***
Ziri sah zu, wie die Flammen sich ausbreiteten. Vollkommen allein stand er an der Spitze einer Bergkuppe, in der Sicherheit des Waldes.
Sicherheit. Das Wort fühlte sich absurd an. In ganz Eretz gab es keine Sicherheit mehr. Warum steckten die Engel nicht einfach die ganze Welt in Brand, und fertig? Was er in den letzten Monaten schon alles hatte brennen sehen … Bäume, Bauernhöfe, ganze Flüsse, auf denen eine Ölschicht schwamm. Kinder, die rannten und schrien – in Flammen –, bis sie nicht mehr rennen und schreien konnten. Und jetzt seine Freunde.
Er umklammerte seine Schwertgriffe so fest, dass es sich anfühlte, als würden seine Finger sich durch das Leder bohren und auch durch den Stahl darunter. Sicherheit, dachte er erneut. Das Wort war nicht nur absurd, sondern niederträchtig. Und bei dieser Mission war er dazu verdammt, sich in Sicherheit zu bringen.
Balerios hatte ihm befohlen, sich zu verstecken.
Bei jedem Kampf musste einer von ihnen zurückbleiben, als ernannte »Sicherheit« für genau so einen Fall – um die Seelen der anderen einzusammeln, wenn sie umkamen. Es war eine Ehre, ein Beweis tiefsten Vertrauens, für das Fortbestehen seiner Kameraden verantwortlich zu sein – und es war die reinste Folter.
Ziri, der Glückspilz , dachte er voller Bitterkeit. Er wusste genau, warum Balerios gerade ihn ausgewählt hatte. Es war solch eine Seltenheit, dass ein Soldat noch in seinem ursprünglichen Körper steckte – der Kommandant hatte ihm eine Chance geben wollen, ihn zu behalten. Als wäre ihm das wichtig. Der Einzige zu sein, der überlebte, war viel schlimmer, als zu sterben. Er musste das Gemetzel tatenlos mitansehen. Selbst der Dashnag-Junge hatte gekämpft – gut gekämpft –, aber nicht Ziri, obwohl alles in ihm danach schrie, sich in die Schlacht zu stürzen.
Nur ein einziges Mal hatte er gegen seinen Befehl verstoßen, nämlich als er den Seraph vom Himmel holte, der das Dama-Mädchen, die hübsche Rehzentaurin, verfolgte. Dasselbe Mädchen, das sie in den Marazel-Hügeln aus der Sklavenkarawane befreit hatten, und sie hielt das Messer in der Hand, das er ihr gegeben hatte. Die Vorstellung, dass sie so weit gekommen waren und dann fast hier gestorben
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