Days of Blood and Starlight
Grinsen.
»Oh, gut.« Jael klang zufrieden. »Ich hatte schon Angst, du würdest es mir leichtmachen.«
Er gab seinen Soldaten ein Zeichen, und zwei von ihnen ergriffen Ziris Arme. »Haltet ihn fest.« Jael rammte den Sammelstab in die schwarze Erde und krempelte die Ärmel auf. »Es mangelt mir nicht an Ideen.«
Luxus
»Ich hab gesagt, keine Menschen werden verletzt!«, rief Karou wütend aus. Sie war schon ganz heiser vom vielen Streiten, und ihre Stimme hörte sich in ihren Ohren an wie ein Knurren. »Das war meine einzige Bedingung, als wir hierhergekommen sind, und daran hat sich nichts geändert. Wir werden keine Menschen verletzen. Und damit basta.« Rastlos lief sie auf und ab. Die Chimären standen um sie herum, auf der Galerie und im Hof, manche im Sonnenschein, andere in die Schatten zurückgezogen.
»Im Krieg muss man so manchen Luxus aufgeben, Karou«, erwiderte Thiago in einem Ton, als würde er ihr eine harte Lebensweisheit beibringen.
»Luxus? Du meinst, keine unschuldigen Menschen umzubringen, ist ein Luxus ?« Er antwortete nicht, aber sie wusste auch so, dass er genau das meinte. Karous Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. »O Gott, nein. Nein! Wer immer sie sind, sie haben nichts zu tun mit eurem …« Sie hielt inne und korrigierte sich. »Mit unserem Krieg.«
»Aber wenn sie unseren Standort hier gefährden, dann haben sie sehr wohl etwas damit zu tun. Dieses Risiko muss dir doch bewusst gewesen sein, Karou.«
Hatte sie es wirklich gewusst? Denn natürlich hatte er recht damit, dass ein einziger redseliger Tourist genug wäre, um einen Mediensturm auf die Kasbahs auszulösen. Und was würde dann passieren? Sie wollte gar nicht daran denken. Wahrscheinlich würde das Militär eingreifen. Früher einmal wäre eine Geschichte über Monster in der Wüste vielleicht als wilde Phantasie irgendwelcher Rucksacktouristen angesehen worden, die zu viel Haschisch geraucht hatten, aber die Zeiten hatten sich geändert. Also was jetzt?
»Vielleicht gehen sie einfach vorbei«, sagte Karou, aber das war eine sehr schwache Hoffnung, das wussten sie beide. Draußen hatte es gefühlte hundert Grad, und im Umkreis der Kasbah gab es über Meilen kein anderes Ziel, zu dem sie unterwegs sein konnten. Außerdem war selbst aus der Ferne deutlich zu erkennen, dass die Wanderer nicht mehr lange durchhalten würden.
Mit letzter Kraft schleppten sie sich bergauf, immer wieder blieben sie stehen, stützten erschöpft die Hände auf die Knie und tranken aus ihren Feldflaschen. Und dann krümmte sich die kleinere der beiden Gestalten plötzlich zusammen und würgte. Karou war zu weit weg, um das Geräusch zu hören, aber es war offensichtlich, dass die beiden kurz vor einem Hitzschlag standen oder vielleicht sogar schon unter einem litten. Eine ganze Weile blieb das Paar aneinandergelehnt stehen, bevor sie sich mühsam wieder in Bewegung setzten. Karous Gedanken überschlugen sich. Die Wanderer da draußen brauchten dringend Hilfe, aber in der Kasbah würden sie sie ganz sicher nicht finden. Wenn sie doch nur wüssten, was sie hier erwartete … Aber selbst wenn sie es wüssten, wären sie wohl kaum dazu imstande umzukehren.
Thiago war nervenaufreibend ruhig, wie immer – zumindest bis zu dem Punkt, an dem er dann plötzlich durchdrehte –, denn die Menschen stellten noch keine akute Gefahr dar. Er würde einfach abwarten, bis sie die Kasbah erreicht hatten. Aber was würde er dann mit ihnen machen?
Sie in die Grube werfen?
Wieder krampfte sich Karous Magen zusammen. Heute konnte sie die Grube riechen. Vielleicht weil sie gerade frische Nahrung bekommen hatte – Bast hatte erst vor wenigen Stunden endlich ihren Gang mit Thiago angetreten, und ihr neuer Körper lag in diesem Moment auf dem Boden in Karous Zimmer – oder vielleicht weil der Gestank von einem lauen, aber hartnäckigen Wind genau in ihre Richtung getragen wurde. Hier, riech mal , schien er zu flüstern. Hier, riech mal! Immer und immer wieder.
Karou blieb abrupt stehen, direkt vor dem Weißen Wolf. Sie straffte die Schultern und gab sich Mühe, nicht zu zittern und wie jemand zu klingen, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte. »Ich gehe jetzt da runter und helfe den beiden«, verkündete sie. »Ich bringe sie durchs hintere Tor in den Getreidespeicher.« Der Getreidespeicher war kühl und abgelegen; ihr kleiner Lastwagen war dort geparkt. »Ich gebe ihnen frisches Wasser, und dann fahre ich sie zur nächstbesten Straße. Sie werden
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