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Days of Blood and Starlight

Days of Blood and Starlight

Titel: Days of Blood and Starlight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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andere Art von Wahrheit, und Karou widerstrebte es genauso, über ihre wahre Natur zu sprechen wie über die Blutergüsse an ihren Armen. Warum schämte sie sich so sehr? Sie atmete tief durch.
    »Weil …«, setzte sie an. »… weil ich eine von ihnen bin.«
    »Was für eine Art?«
    Karou blinzelte. Mik hatte die Frage gestellt, und sie klang so gelassen, dass Karou sicher war, sich verhört zu haben. »Was?«
    »Was für eine Chimäre warst du? Du bist wiedererweckt worden, oder nicht? Du hast die Tattoo-Augen.« Er zeigte auf ihre Handflächen.
    Karou wandte sich Zuzana zu, die genauso unverblüfft aussah wie Mik. »Das ist alles?«, fragte sie. »Ich sage euch, dass ich kein Mensch bin, und ihr seid kein bisschen schockiert?«
    »Sorry«, sagte Mik. »Ich glaube, du hast unseren Sinn für Überraschungen lahmgelegt. Vielleicht hättest du damit anfangen und uns erst dann erzählen sollen, dass du Tote wiedererwecken kannst.«
    »Und es ist auch irgendwie offensichtlich«, fügte Zuzana hinzu.
    »Was meinst du damit, es ist offensichtlich?«, wollte Karou wissen. Sie hatte ihr ganzes Leben lang geglaubt, sie wäre ein Mensch; wie sollte es da möglich sein, dass sie nicht überzeugend gewirkt hatte?
    »Du hattest einfach schon immer so eine Aura. Eine eigenartige Aura.« Zuzana zuckte die Achseln. »Ich weiß auch nicht.«
    »Eine eigenartige Aura«, wiederholte Karou monoton.
    » Gut eigenartig«, versicherte ihr Mik.
    »Also was für eine Chimäre warst du?«, fragte Zuzana erneut.
    Die Frage klang so lässig, so beiläufig … Karou spürte, wie ihre Hände klamm wurden. Es war ihr Stamm, nach dem ihre Freunde da fragten, die Familie, die ihr vor so langer Zeit genommen worden war. Erinnerungen an jenen Tag stürmten auf sie ein – an die Blutspuren auf dem Boden, wo die Gefallenen zum Höhleneingang gezerrt und in die Tiefe gestoßen worden waren. Karou atmete tief durch. Sie verstanden es nicht. Natürlich verstanden sie es nicht. In ihrem Leben musste man sich keine Gedanken darüber machen, ob jemand von Sklavenjägern zur Waise gemacht worden war, bevor man nach der Familie fragte.
    Vor langer Zeit hatte sie Eltern gehabt, ein Zuhause, einen Stamm. Vor langer Zeit hatte es einen Ort gegeben, an den sie gehörte, ganz selbstverständlich und ohne sich zu bemühen. »Ich war eine Kirin«, raunte sie leise. Ich bin eine Kirin , dachte sie, auch wenn ihr alles, was ihr Leben als Kirin ausgemacht hatte, genommen worden war: ihr Zuhause und ihr Stamm von Engeln, ihr wahrer Körper vom Weißen Wolf und jetzt womöglich auch noch … Ziri. »Ich kann es euch zeigen«, hörte sie sich sagen.
    Sie griff nach ihrem Skizzenbuch, nahm einen Stift und hielt beides einen Moment einfach nur fest. Konnte sie das wirklich? Sie hatte schon mehrmals versucht, Madrigal zu zeichnen, aber jedes Mal hatte ihre Hand sich widersetzt. Sie hatte Angst – davor, dass es ihr gelingen würde, davor, dass es ihr nicht gelingen würde, davor, was sie fühlen würde, wenn sie ihr früheres Ich vor sich sah. Würde sie denken, dass es ihre einzig wahre Gestalt war, und sich danach sehen? Oder würde es sich seltsam anfühlen, so, als wäre sie dieses einstige Mädchen nie wirklich gewesen? So oder so konnte sie sich nicht vorstellen, dass es sie glücklich machen würde.
    Trotzdem schien ihr der richtige Zeitpunkt gekommen, und sie fing an zu zeichnen. Eine geschwungene Linie. Noch eine. Vor Zuzanas und Miks Augen nahmen ihre Hörner Form an. Karou kam es vor, als würde sie auch nur zusehen, nicht selbst zeichnen, und es überraschte sie, was auf der Seite erschien. Wer dort erschien.
    »Ähm. Du warst ein Mann ?«, fragte Zuzana.
    Karou stieß ihren angehaltenen Atem in einem Lachen aus. »Nein. Sorry. Das bin ich nicht, das ist Ziri. Er ist …« Es fühlte sich zu brutal an zu sagen, dass er der letzte Überlebende ihres Stamms war, also sagte sie einfach: »Er ist auch ein Kirin.«
    »Oh, puh. Ich weiß nicht, warum es komischer wäre, wenn du in deinem früheren Leben ein nichtmenschlicher Mann gewesen wärst statt einer nichtmenschlichen Frau, aber das wäre es.«
    »Wer ist er?«, erkundigte sich Mik. »Ist er hier?«
    »Wir warten schon seit längerer Zeit darauf, dass er mit seinem Team von einer Mission in Eretz zurückkommt.«
    Zuzana hörte die Besorgnis in ihrer Stimme. »Schon länger? Es ist ihm aber nichts zugestoßen, oder?«
    »Hoffentlich. Vielleicht verspäten sie sich einfach.«
    Oder sie waren vielleicht

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