de la Cruz, Melissa - The Immortals 1
Blick hatte auf ihr geruht und Bliss war nicht mutig genug gewesen, öffentlich zu ihrer neuen Freundschaft zu stehen. Aber waren sie und Dylan denn überhaupt Freunde? Am Freitagabend hatten sie sich zumindest sehr viel anvertraut.
»Die Mitgliedschaft ist keine freiwillige Sache«, sagte nun Bobi Ann.
Bliss nickte. »Ich muss da also wirklich hingehen?«
Ihre Stiefmutter war unerbittlich. »Du würdest deinen Vater und mich sehr glücklich machen.«
Zwei Stunden später klopfte Jordan an Bliss’ Zimmertür. »Sag mal, wo warst du eigentlich am Freitagabend?«, fragte sie und blieb in der Türöffnung stehen. Sie starrte Bliss auf eine nervtötende Weise an.
Bliss wunderte sich wieder einmal, wie fremd ihr Jordan geworden war. Als sie kleiner war, war sie Bliss wie ein Schoßhund überallhin gefolgt. Jordan hatte Bliss damals ständig gefragt, warum sie nicht auch so schöne Haare, die gleiche helle Haut und ähnlich blaue Augen hatte wie sie. Sie waren wie Freundinnen gewesen. Aber im vergangenen Jahr hatte sich ihr Verhältnis geändert. Jordan war Bliss gegenüber deutlich verschlossener geworden. Es war eine Ewigkeit her, dass Jordan sie gebeten hatte, ihr das Haar zu bürsten.
»Im Block 122 , du weißt schon, dem angesagtesten Club der Stadt. Er war letzte Woche in der US Weekly «, antwortete sie. »Warum willst du das wissen?«
Bliss saß auf ihrem Himmelbett und hatte die Unterlagen des Komitees auf der Bettdecke ausgebreitet. Sie fand es merkwürdig, dass sie für den Wohltätigkeitsverein unzählige Formulare ausfüllen musste. Zudem sollte sie nun jeden Montag an einem zweistündigen Treffen teilnehmen.
»Das ist der Club, in dem Angie gestorben ist, nicht wahr?«, fragte Jordan mit düsterem Gesicht.
»Ja.« Bliss nickte, ohne aufzusehen.
»Du weißt, wer es war, oder?«, erwiderte Jordan.
»Was meinst du damit?« Bliss legte die Blätter beiseite.
»Du weißt, wer Angie umgebracht hat.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Hast du’s denn noch nicht geschnallt? Es war eine Überdosis. Und jetzt hau ab, du kleine Nervensäge!«
Bliss schleuderte ein Kissen in Richtung Jordan, die gleich darauf die Tür zuzog.
Was war bloß mit ihrer kleinen Schwester los? Und was bitte war so großartig daran, in das Komitee aufgenommen zu werden?
Bliss rief Mimi an. Sie wusste, dass ihre Freundin ein Komitee -Mitglied war, und wollte erfahren, ob Mimi auch zu dem Treffen kommen würde.
8
N ach der Schule nahm Skyler den Stadtbus in der Ninety-sixth Street, zog ihre Monatskarte durch einen Automaten und fand einen freien Platz neben einer gestresst wirkenden Mutter mit einem Zwillingsbuggy. Skyler war eine der wenigen Schülerinnen der Duchesne, die öffentliche Verkehrsmittel benutzten.
Der Bus rumpelte langsam durch die Straßen, vorbei an einer Unmenge von edlen Boutiquen. Ein paar Minuten später passierten sie winzige Läden, die so Geheimnisvolles verkauften wie Kartografiematerial und Federkiele aus dem vierzehnten Jahrhundert. Dann ging es durch die grüne Lunge des Central Parks und zur Westseite der Stadt, zum Broadway. Schließlich war es nur noch ein Katzensprung bis zum Riverside Drive.
Sie hatte mit Jack nach dem Unterricht sprechen wollen, ihn aber nicht mehr erwischt. Warum schenkte er ihr mit einem Mal Beachtung? Und wieso hatte er ihr geschrieben, dass Angie ermordet worden war? Das war bestimmt bloß ein fieser Scherz. Wahrscheinlich spielte Jack mit ihr. Er wollte ihr wohl einfach nur höllische Angst einjagen.
Skyler schüttelte den Kopf. Auch das ergab keinen Sinn. Und wenn es doch die Wahrheit war? Hatte Jack etwa Einblicke in die laufende Polizeiarbeit? Falls ja, warum sollte er ausgerechnet ihr dieses Geheimnis anvertrauen? Sie kannten einander doch kaum.
In der Hundredth Street drückte sie auf den gelben Halteknopf und sprang leichtfüßig hinaus in den noch immer sonnigen Nachmittag. Skyler lief zu ihrer Haustür. Der Riverside Drive war ein malerischer Boulevard im Pariser Stil auf der westlichsten Seite von Upper Manhattan, eine gewundene Straße, umgeben von prachtvollen italienischen Renaissancegebäuden und majestätischen Art-déco-Villen. Hierher waren die van Alens im letzten Jahrhundert gezogen, nachdem sie ihr Domizil in der Fifth Avenue aufgeben mussten. Die einst stärkste und einflussreichste Familie in New York hatte viele der Universitäten und Kultureinrichtungen der Stadt gegründet, aber ihr Reichtum und ihr Ansehen hatten in den vergangenen
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