de la Cruz, Melissa - The Immortals 1
Mit ihren rosaroten Wangen wirkte sie voller Energie. Zum ersten Mal wurde Skyler bewusst, dass ihre Großmutter nach ihrem wöchentlichen Termin bei Jorge’s immer so erholt aussah. Doch jetzt grübelte sie, ob der extravagante Lateinamerikaner wirklich ihr Friseur oder einer ihrer menschlichen Vertrauten war. Skyler sagte sich, dass sie das gar nicht wissen wollte.
»Darf ich die Erste sein, die dir gratuliert?«, fragte Cordelia.
»Ich weiß nicht, wozu man mir gratulieren sollte«, entgegnete Skyler gereizt.
Cordelia deutete auf den Sessel ihr gegenüber. »Setz dich, Enkeltochter. Wir haben viel zu besprechen.«
Ein Kellner im Frack erschien und Cordelia bestellte zahlreiche Leckereien und eine große Kanne Earl Grey.
»Warum hast du mich nicht vorgewarnt?«, zischte Skyler, als der Kellner verschwunden war.
»Das ist bei uns nicht üblich«, sagte Cordelia schlicht. »Die Last, zu wissen, wer man ist, soll man nicht tragen müssen, bevor man reif dafür ist. Und wir sind der Ansicht, dass Priscilla die Einführungszeremonie ganz hervorragend gestaltet.«
»Sag mal, wie alt bist du wirklich?«, fragte Skyler.
Cordelia lächelte. »Vom Alter her habe ich einen normalen Zyklus bereits überschritten. Ich würde gerne ruhen, aber ich habe meine Gründe zu bleiben.«
»Weil meine Mutter …«, sagte Skyler, die nun begriff, dass es Cordelia gestattet wurde, länger zu leben, damit sie sich um sie kümmern konnte, bis ihre Mutter … Was war eigentlich mit ihrer Mutter los? Sie war doch ein Vampir mit übernatürlichen Kräften. Weshalb lag sie trotzdem im Koma?
Ihre Großmutter machte einen gequälten Gesichtsausdruck. »Deine Mutter hat einige schreckliche Entscheidungen getroffen.«
»Ich verstehe das nicht. Warum liegt sie im Koma? Wenn sie unverwundbar ist, wieso wacht sie dann nicht einfach auf?«
»Das steht hier nicht zur Debatte«, sagte Cordelia scharf. »Du kannst sehr stolz sein, ihr Erbe in dir zu tragen.«
Skyler wollte nachhaken, was ihre Großmutter damit meinte, aber in diesem Augenblick kam der Kellner mit einem glänzenden Silbertablett voller Scones, Sandwiches und Snacks an ihren Tisch. Eine schmuckvolle Teekanne wurde neben den dazugehörigen Porzellantassen platziert.
Skyler wollte sich rasch eingießen und wurde von ihrer Großmutter freundlich ermahnt: »Das Sieb.«
Sie nickte und legte das Sieb mit dem Silberstiel auf ihre Tasse. Der Kellner nahm die Kanne und schenkte den heißen Tee ein. Das angenehme Aroma von Bergamottöl stieg ihr in die Nase. Skyler lächelte, denn sie liebte dieses Ritual. Im Hintergrund spielte die Harfenistin eine sanfte Melodie.
Eine Weile herrschte Schweigen, während sie und ihre Großmutter sich an den Leckereien bedienten. Skyler gab eine großzügige Portion Sahne auf ihren Scone. Sie nahm einen Bissen und seufzte vor Genuss.
Cordelia tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. Sie wählte ein kleines Sandwich mit Krabbensalat, nahm einen winzigen Bissen und legte es zurück auf den Teller.
Skyler merkte, dass sie kurz vor dem Verhungern war. Sie griff nach einem Sandwich und dann nach einem weiteren Scone.
»Warum hast du mir gratuliert? Ich habe doch überhaupt keine Wahl, ob ich ein Mensch oder lieber ein Vampir sein möchte«, sagte Skyler.
Cordelia zuckte mit den Achseln. Sie hob den Deckel der Teekanne und funkelte den Kellner, der an der Wand lehnte, böse an. »Ich hätte gern noch etwas heißes Wasser.«
»Sag mal, bist du wirklich meine Großmutter?«, fragte Skyler zwischen zwei Bissen Räucherlachs auf Roggenbrot.
Cordelia lächelte wieder. Es war beunruhigend – als hätte ein Vorhang sich gehoben und Skyler konnte endlich ihre wahre Großmutter sehen.
»Eigentlich nicht. Du bist klug, das anzuzweifeln. Wir zeugen unsere Nachkommen nicht auf die menschliche Weise. Wenn unsere Körper erlöschen, bleibt von uns nichts weiter übrig als ein einziger Blutstropfen mit unserem DNA-Muster. Wenn es an der Zeit ist, jemanden wiederzuerwecken, wird in die weiblichen Blue Bloods, die dazu auserwählt wurden, das neue Leben eingepflanzt. Sie bringen dann neun Monate später einen Vampir zur Welt.
Die Worte ihrer Großmutter wühlten Skyler auf. Was genau meinte sie damit? »Und mein Vater?«, fragte sie vorsichtig und dachte an den großen, schlanken Mann im dunklen Anzug, der ihre Mutter besucht hatte.
»Dein Vater geht dich nichts an!«, entgegnete Cordelia kalt. »Denk nicht mehr an ihn. Deine Mutter war viel zu gut für diesen
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