Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
in deren Abwasser Müll und sogar einige Leichen treiben, von denen immer einige brennen, Tag und Nacht. Solarbetriebene Gartenlampen sind an den Ufern in den Boden gesteckt und sorgen dafür, dass nächtliche Fußgänger nicht hineinfallen. Die Kanäle sind tödlich; wenn einen der Sturz in die giftige Brühe nicht umbringt, werden es zahlreiche Krankheiten tun.
Todd schlendert unbeholfen zwischen den Menschenmassen umher, als schwankte er über das Deck eines Schiffes, und begutachtet die auf Tischplatten gestapelten Waren. An Menschenmassen ist er nicht gewöhnt. Besonders nicht an Menschen, die fast ausnahmslos Pistolen, Äxte, Hämmer, Schlagstöcke oder andere Waffen tragen. Die Menschen hier sind reizbar und riechen nach Angst. Er fühlt sich ausgesetzt, verletzlich und leicht desorientiert, als litte er irgendwie an Höhenangst. Es ist das gespenstische Gefühl, dass sich alle hier kennen, einen bemerken und wissen, dass man nicht hierhingehört. Wie in der gottverdammten Highschool.
Na, komm, Alter, redet Todd sich ein. Hier interessiert sich keine Sau für dich. Die haben ihre eigenen Probleme. Mann, das ist doch immer so.
Die Krämer in seiner Umgebung bieten lautstark ihre Waren feil. Andere wiederum werden von der Kundschaft gelöchert oder verscheuchen Kinder und Bettler. Die Produktpalette reicht von Batterien über Kerzen, Zündhölzer, Kondome, Zigaretten, Handcreme, Messer, Nähgarn, Gewürze, abgelagertes Brennholz, Schachteln mit nutzloser Elektronik, Rohstoffe, Raritäten und jede Menge Schund. Die Preise basieren immer auf dem, was der Verkäufer wünscht – Dollar, Gold, Dienstleistungen, Tauschhandel –, und der Markt scheint zu florieren. Wie die Erde ist auch der Kapitalismus geblieben. Der Tauschhandel scheint die beliebteste Form des Geschäfts zu sein. Ein Händler verhökert Spielkarten, Brettspiele und Würfel, akzeptiert aber nur Zigaretten als Bezahlung.
In der Nähe wartet eine Menschenschlange vor einer Reihe Dixi-Klos. Sie applaudieren spontan, als ein Laster einen Notgenerator die Straße entlangzieht. Strom bedeutet Fortschritt. Zwei Männer in orangefarbenen Overalls ziehen den Fäkalientank aus dem Sockel einer Toilette, hieven ihn auf eine Schubkarre und schieben sie über eine Rampe auf die Ladefläche eines Pferdewagens.
Strom brauchen und wünschen sich die Menschen hier mehr als alles andere, wird Todd klar. Und ordentliche Sanitäranlagen. In den Hütten, in denen er lebt, hat er überall Leute gesehen, die mittels Autobatterien, manchmal auch mehrere in Reihe geschalteter, und verschiedener Adapter Gleich- und Wechselstromgeräte betrieben. Ein unternehmungslustiger Mechaniker hat zwei Fahrzeuge mit Steckern verkabelt und lädt schwächelnde Batterien auf. Um Wasser zu bekommen, muss man stundenlang an einem Wassertank der Lagerverwaltung Schlange stehen.
Todd spaziert zwischen den Ständen her, schaut sich die Händler genau an und merkt sich, was sie kaufen und verkaufen. Wasserreiniger, Säuglingsbekleidung, Vitamintabletten, Tampons, Propangas, Stecknadeln, Klopapier, Gartensaat, Waffen und Munition. Zucker, Pornohefte, Schokolade, Klebeband, Insektenspray, Sojasoße, Fahrräder, Scheren, Kaffee und Tee, Kerzen, Jeans, Zündhölzer, Rasierapparate, Bonbons, Zigaretten, Kautabak, Dosenöffner, Waschpulver. Kleinigkeiten, die einem das Leben erleichtern und ein Stück Zivilisation zurückgeben. Teile eines Amerikas, das zerfallen ist, das meiste davon Schrott. Produkte aus Ländern, die nicht mehr existieren. Konsumierbare Relikte eines vergangenen Zeitalters.
Todd hat einen Haufen gleichstrombetriebene Geräte aus der Raststätte mitgehen lassen, die das Leben zumindest für einige viel angenehmer machen könnten. Sie sind aber schwer, und gehen leicht kaputt. Er möchte sie gegen andere Produkte tauschen. Die meisten erfolgreichen Händler, fällt ihm auf, spezialisieren sich auf besondere Gegenstände, die jedermann braucht. Der Gegenstand sollte klein, leichtgewichtig und problemlos zu transportieren sein. Etwas wie Zigaretten wäre ideal, aber dann müsste er sich ständig vor den Süchtigen hüten. Zucker und Kaffee wären ideal, aber die Händler geben sie in Plastiktütchen ab, und es besteht die Gefahr, dass sie durch Feuchtigkeit oder Insektenbefall verderben. Saatgut scheint im Moment sehr gefragt zu sein, aber er versteht nichts von der Gärtnerei.
Etwas wie Kerzen wäre hingegen perfekt.
» Na, was treibst du denn hier? «
Todd dreht sich um
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