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Dead: Band 1 - Roman (German Edition)

Dead: Band 1 - Roman (German Edition)

Titel: Dead: Band 1 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig DiLouie
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Chemienebel kommt von allen Seiten und reduziert die Sichtweite auf weniger als fünfzig Meter. Vor Wendy wippen die Scheinwerfer eines großen Fahrzeugs in den zunehmenden Hitzewellen.
    Sie hört Schüsse. Das Geräusch erschreckt sie. Dann setzt sie eine undurchdringliche Miene auf.
    Die Absurdität der Lage setzt ihr zu. Was soll sie denn machen? Die Typen dort festnehmen? Und was dann? Es gibt keine Gerichte mehr, und auch keine Richter. Keinen Knast, keine Wärter. Das ganze Rechtssystem ist im Eimer. Jetzt herrscht nur noch das Gesetz der Wildnis – das Gesetz des Schießeisens, in dem die Gerechtigkeit mit Kugeln verbreitet wird. Ist es also das? Soll sie die Typen umlegen? Selbst die Sheriffs im Wilden Westen hatten Richter, Knäste und Gemeinden, auf die sie zählen konnten.
    Wendy räuspert sich, denn ihre Kehle fühlt sich kratzig an. Dann erwägt sie ihren nächsten Schritt.
    Vielleicht sollte sie Stehen bleiben, Polizei! rufen und sie erst dann erschießen. Was für ein bitterer Humor. Sie könnte ihnen auch ihre Rechte vorlesen, bevor sie das Feuer eröffnet und sie kaltblütig niedermäht, weil sie etwas getan haben, das ungesetzlich war, als es noch ein Gesetz und eine Regierung gab.
    Sie ist kein Cop, hat der Mann gesagt.
    Wendy bleibt plötzlich stehen, ihr Mund ist offen. Sie steckt die Glock ins Gurtholster. Kein Cop, hat er gesagt. Mit Recht.
    Diese simple Erkenntnis fühlt sich so erfreulich an, als risse man ihr das Herz aus der Brust.
    Ich hab mein Bestes getan, denkt sie und versucht, sich an die Gefallenen zu erinnern, die sie einst für ihren Stamm gehalten hat. Aber die Gesichter sind alle weg. Selbst Dave Carver ist nur ein verschwommener Fleck. Ein pochender Kopfschmerz plagt sie. Ihr wird immer schwindeliger. Sie hätte Wasser mitnehmen sollen.
    Wird Zeit zurückzukehren.
    Wendy nimmt langsam ihr Abzeichen ab, fährt mit dem Daumen über die Ecken und schiebt es in die Tasche. Als dies getan ist, dreht sie sich um und kehrt zur Raststätte zurück.
    Im Land der Blinden ist der Einäugige kein König. Er ist kein König, weil niemand ihn als solchen anerkennt. Die anderen wissen nicht mal, dass er da ist.
    Wendy hustet lang und laut, weil Rauch und Ruß in ihrer Lunge brennen. Als es vorbei ist, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Wenn man noch lebt, nachdem ein Teil von einem gestorben ist, denkt sie philosophisch, ist es, als wäre man neugeboren. Sie wird es überleben.
    Die Schüsse am Laster werden lauter. Die Scheinwerfer wippen und gehen aus. Kurz darauf hallen die ersten Schreie über den Asphalt. Die Finsternis hüllt sie ein.
    Wendy fängt an zu rennen. Ihr schwindelt angesichts der plötzlichen Erkenntnis, dass ihr Beschluss, kein Cop mehr zu sein, ihr wahrscheinlich das Leben gerettet hat.
    Anne tritt vorsichtig zwischen die Bäume, die Muskeln angespannt, das Gewehr schussbereit an der Schulter. Sie blinzelt den Schweiß fort, der sich langsam unter ihrer durchweichten Kappe sammelt. Ihr Finger zuckt am Abzug. Jeder Schritt ist sorgfältig berechnet, ein Fuß folgt dem anderen, führt sie tiefer in den Wald hinein. Sie ist jetzt die Jägerin. Sie weiß noch nicht, was sie jagt. Ihre Beute ist anwesend, aber noch nicht bekannt.
    Ein Seufzen im Walde. Sie kann sie nun hören, ihr kehliges Schnalzen. Kommunikation wie eine uralte Sprache, aber auch so geistlos wie eine Insektenpaarung. Die Dinger flitzen verspielt durch die Büsche und hopsen auf die Bäume hoch. Die Rußwolken, die sie auslösen, lassen die kleinen Scheißkerle quäken und niesen.
    Sie sind wie Kinder, denkt Anne. Dann schiebt sie den schmerzlichen Gedanken beiseite. Im Gegensatz zu den anderen Überlebenden hinterfragt sie nicht, warum sie hier ist. Sie vergleicht ihre Umgebung und ihr Handeln nicht ständig mit dem, was früher war. Anne hat überlebt, weil sie ihre Vergangenheit erfolgreich weggeschlossen hat. Sie braucht sich nicht an sie zu erinnern, um zu büßen. Sie hat gelernt, wahrhaftig in der Gegenwart zu leben.
    Die Asche verdeckt die Baumwipfel, treibt durch die Luft, verhüllt alles Grün und ruft künstliches Zwielicht hervor. Anne macht kurz die Augen zu. Als sie sie öffnet, sieht sie andere Augen im Dunst glitzern. Dutzende starrender Augen brennen in der Finsternis, in den dunklen Tiefen des Waldes. Anne macht noch einen Schritt vorwärts.
    Laubwerk raschelt, als die Geschöpfe über den bewaldeten Boden flitzen. Die Luft ist von kehligem Schnalzen und Quieken erfüllt. Sogar das

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