Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
Quieken klingt wie eine Sprache. Man weiß, dass sie hier ist. Sie ist nicht mehr auf der Jagd. Sie beobachtet nur noch. Es sind zu viele, um sie zu bekämpfen. Es ist das Risiko nicht wert.
Anne hebt langsam das Gewehr, schaut durch das Zielfernrohr, vollführt einen langsamen Schwenk, bis sie bei einem Grüppchen verharrt, das sich am Fuß einer massiven Eiche versammelt hat. Im Fadenkreuz sieht sie die leere Miene eines zierlichen Äffchens, das mit besudeltem Maul kaut. Als würde das Geschöpf spüren, dass es beobachtet wird, fletscht es seine blutigen Zähne und stiert mit reiner Bösartigkeit, ohne echte Intelligenz, um sich. Anne bewegt das Gewehr und sieht sich die anderen an. Sie schieben sich Stücke irgendeines Pelztiers in den Mund.
Bevor Anne weiß, wie ihr geschieht, schreit sie auf und heiße Tränen schießen in ihre Augen. Sie geht in die Knie und schluchzt hemmungslos und mit bebenden Schultern.
Im Wald wird plötzlich überall geheult und gekreischt.
» Es ist doch nur ein Hund « , sagt sie sich. » Nur irgendein alter Hund. «
Anne unterdrückt den nächsten Schluchzer, zieht laut die Nase hoch und wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. Sekunden später atmet sie wieder kontrolliert. Sie hasst sie mit jeder Faser ihres Seins. Sie hebt das Gewehr, zielt auf ein fauchendes Gesicht, atmet aus und betätigt den Abzug.
Das Gewehr geht mit einem Blitz los, und das Echo des Knalls rollt brüllend durch den Wald. Die Geschöpfe spritzen quiekend und heulend durchs Unterholz und sammeln sich zu einem Angriff. Der ätzende Geruch von Kordit liegt in der Luft.
Anne feuert erneut. Den festen Rückstoß des Gewehrs spürt sie an der Schulter. Sie sieht den Schädel explodieren, bevor das Bild im Zielfernrohr im Dunstschleier ruckt.
» Ich bring euch um! « , schreit sie mit unglaublicher Lautstärke. Ihre Stimme trägt weit durch den Wald. » Habt ihr mich gehört, ihr dreckigen kleinen Mistviecher? «
Ihr Hund hatte ein fast übernatürliches Talent Frisbeescheiben aufzufangen.
Die Geschöpfe versuchen sich erneut zu versammeln. Anne erschießt ein drittes, und der Rest hüpft wieder auf die Bäume. Dass einer nach dem anderen aus der Ferne erledigt wird, scheint sie zu verblüffen. Die kleinen Dinger tollen umher, brüllen, fletschen die Zähne und blasen ihre schmächtigen Brustkörbe auf. Sie deuten auf Anne und werfen Hände voller Scheiße in ihre Richtung. Anne feuert noch einmal. Und noch einmal. Eine Gruppe löst sich von den Bäumen, springt auf komischen Insektenbeinen auf sie zu, und Anne mäht sie nieder. Sie schießt, bis ihr Gewehr klickt, weil das Magazin leer ist. Die Geschöpfe spüren ihr Zögern. Mit einem lauten Heulen stürzen sich die Kinder der Seuche alle zusammen auf sie. Anne lässt das Gewehr fallen.
» Verflucht sollt ihr sein « , schluchzt sie, schmeckt Salz und Ruß in ihrem Mund, als sie mit langen Sprüngen auf sie zukommen. » Verflucht sollt ihr sein – wegen dem, was ihr getan habt. «
Anne hebt mit beiden Händen ihre Pistolen und lässt den Tod auf sie hinabregnen.
Paul zieht einen großen Sack aus dem Bradley und stößt einen lauten Fluch aus, als er in seinen Händen aufreißt und der Inhalt auf den körnigen Asphalt fällt: Dosen, Beutel mit Reis, Wasserflaschen, Pflaster, Desinfektionsmittel, Tampons, Moskitospray und ein Teppichmesser. Alles ist voller Ruß. Er spürt, dass die Asche sich auf seinem Haar und den Schultern absetzt, einen Weg unter das Hemd findet, sich mit seinem Schweiß vermischt und zu einer schmierigen Paste wird, die seinen Rücken bedeckt. Sein Vorhaben wird ihn noch zum Heiden machen. Diese Dinge zu sortieren, ist wie etwas aus einem altgriechischen Mythos, das die übliche Grausamkeit der Götter jenen gegenüber ausdrückt, die sie anbeten.
Er kehrt in das heiße, finstere Innere des Bradley zurück. Sein Rücken schmerzt, da er gebückt gehen muss. Er untersucht die drei ordentlich aufgerollten Schutzanzüge, die er zuvor gefunden hat. Die Soldaten im Regierungsunterstand haben solche Anzüge getragen. Sie hatten auch Atemschutzmasken. Er findet eine, an der schon ein Filter befestigt ist, und zieht sie über den Kopf. Der Filter riecht zwar wie ein Umkleideraum, und es fühlt sich an, als würde er darunter ersticken, doch das Ding erfüllt offenbar seinen Zweck. Ihm ist nicht mehr so, als müsste er Schmirgelpapier einatmen. Er hebt die Maske an, bis das Oberteil an seiner Stirn klebt, setzt sich hin, steckt
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