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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
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schweren blauen Vorhängen eingerahmt, die so lang waren, dass sie auf dem Boden auflagen. Dahinter gurgelten Heizkörper. In der Mitte des Eingangsbereichs führte eine breite Treppe mit polierten Geländern zu den Außenflügeln des Gebäudes.
    Irgendwo da drinnen sollte unser Lateinunterricht stattfinden. Es war die erste Stunde; Eleanor war spät dran undhatte noch einen Zwischenstopp im Speisesaal eingelegt, um zu frühstücken. So musste ich mich allein zurechtfinden. Nur wenige Minuten vor dem ersten Klingeln stand ich immer noch im Foyer und starrte auf meinen Stundenplan, während die anderen Schüler an mir vorbeieilten.
    Grundzüge des Lateinischen         Mo Mi Fr 8 . 00 h
OF , II , VI I , Haus Horaz
    Ich war mir ziemlich sicher, das hieß Ostflügel, zweiter Stock, Raum sieben. Oder vielleicht hieß es auch Ostflügel, Raum zwei, siebter Stock. Oder waren OF die Initialen meines Lehrers? Ich versuchte, jemanden um Hilfe zu bitten, aber alle huschten an mir vorbei, um rechtzeitig zum Unterricht zu kommen. Irgendwie musste man sich hier doch zurechtfinden können; ich musste nur nachdenken. Mein Bauch sagte mir, dass es im siebten Stock sein musste, und so entschied ich mich etwas willkürlich für die Treppe zum Ostflügel.
    Gerade als es klingelte, fand ich die Tür. Keuchend stieß ich sie auf und preschte in den Raum. Die ganze Klasse drehte sich zu mir um und ich wusste sofort, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Eine kleine Gruppe saß über ihre Bücher gebeugt um einen Holztisch herum – bis ich sie unterbrach. Sie sahen alle älter und nicht gerade freundlich aus, besonders ein grüblerischer Junge mit kurzem, kastanienbraunem Haar und akkuratem Seitenscheitel. Mit seiner Hornbrille und dem schwarzen Anzug wirkte er weitaus eleganter als die anderen. Neben ihm saß ein Mädchen, das seine Schwester hätte sein können. Schwer zu sagen, wer von beiden besser aussah. Sie trug ebenfalls einen Herrenanzug,der ihr auf den schmalen Leib geschneidert war. Das kurze schwarze Haar trug sie gescheitelt und glatt zurückgekämmt, wie ein Bankier der Zwanzigerjahre.
    Der Lehrer war ein kräftiger junger Mann mit sandfarbenem Haar, das mich an einen Golden Retriever erinnerte. Er trug etwas in einer Sprache vor, die ich nicht verstand. Wahrscheinlich war es Latein, obwohl dies mit Sicherheit nicht der Kurs war, in den ich gehörte. Der Lehrer verstummte und sah mich fragend an. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
    »Ist das hier Grundzüge des Lateinischen?«, fragte ich dämlich.
    Der Schüler, der mir am nächsten saß, wandte sich zu mir um. Erstaunt erkannte ich Dante. Er hob eine Augenbraue, eine schöne Augenbraue, und schaute mich amüsiert an. Das Wiedersehen mit ihm war peinlich und aufregend zugleich. Da er sich über seine Stuhllehne zu mir gedreht hatte, straffte sich sein Hemd eng um seine breiten Schultern. Sein welliges braunes Haar hatte er zurückgebunden; einige Locken hingen lose runter. Im Geiste wuschelte ich mit meinen Fingern hindurch.
    Wir sahen uns in die Augen und ich errötete noch tiefer.
    »Nein«, sagte der Lehrer und setzte die Brille ab. Die Tafel hinter ihm war vollgeschrieben mit lateinischen Wörtern und Sätzen. Die einzigen Begriffe, die ich kannte, waren Descartes und Romulus et Remus . Ein einfaches sechseckiges Gebilde war immer wieder in den verschiedensten Varianten und Dimensionen aufgemalt. Ich sah genauer hin – es konnte nichts anderes sein als das Bild, das mich die letzten zwei Wochen verfolgt hatte: ein Sarg.
    »Tut mir leid«, murmelte ich und wollte gerade rückwärts aus dem Zimmer flüchten, als Dante sich erhob und auf mich zukam. Ich fummelte nervös an meinen Sachen herum und er griff hinter mich; seine Hand streifte meinen Rock, als er die Tür öffnete. Mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln raunte er: »Zweiter Stock. Siebter Raum links.«
    Ich kam zu spät zu Latein. Als ich das Klassenzimmer betrat, war es wieder die gleiche Situation: alle Blicke auf mir und Schweigen; eine mitleidsschwangere Totenstille. Eleanor wirkte besorgt: »Was ist passiert?«, bewegte sie stumm ihre Lippen, während sie sich nervös eine Locke um den Finger wickelte. Aber ich traute mich nicht, zu antworten. Die Lehrerin unterbrach ihren Vortrag.
    »Ich … Entschuldigen Sie die Verspätung. Ich habe mich verlaufen.«
    »Ich möchte nicht, dass Sie sprechen; ich möchte, dass Sie sich setzen«, sagte sie, als hätte ich das wissen müssen.
    Um nicht

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