Dead Beautiful - Deine Seele in mir
Frage, was sie wohl bedeutete. Gedankenverloren begann ich, die Ränder meines Blatts vollzukritzeln.
Renée , schrieb ich in Schreibschrift, dann in Druckschrift und dann in der Schnörkelschrift der geheimnisvollen Nachricht. Ich zeichnete ein winziges Bild vom Mond über dem See. Dann kleine Strichmännchen, die darin herumschwammen. Und dann, aus welchen Gründen auch immer, schrieb ich Dante . Erst in Druckschrift, dann in großen, geschwungenen Buchstaben, dann in Großbuchstaben. Dante. Dante. DANTE . Ich hatte gerade fertig geschrieben, als ich meinen Namen hörte.
»Renée?«
Ich riss mich aus meinem Tran, um festzustellen, dass Mr B. und die ganze Klasse mich anstarrten.
»Erde an Renée. Die einfachsten Grabformen. Wie hießen die?«, wiederholte er.
Auf der Suche nach der Antwort glitt mein Blick über meine Notizen, aber sie waren komplett zugekritzelt.
»Dante«, rutschte es mir heraus; das erste Wort, das da stand. Sofort lief ich rot an. »Nein, tut mir leid, ich meine … ich meine, Dolmen.«
Ich wand mich vor Scham und hoffte, dass ich wenigstens richtiglag und mir damit weitere Peinlichkeiten erspart blieben. Gott sei Dank war Dante nicht in diesem Kurs.
Mr B. lächelte. »Sehr gut«, sagte er und ging wieder zur Tafel. Er skizzierte einen gemauerten Verschlag, an den ich mich aus der Lektüre erinnerte. Ich schrieb mit und hielt den Rest der Stunde den Kopf gesenkt.
Nach dem Klingeln gingen Eleanor und ich zurück zum Wohnheim. Als wir jedoch die Treppe zu unserem Zimmer hochkamen, stand die Tür einen Spaltbreit offen. Wir sahen uns erstaunt an und drückten sie auf. Auf den ersten Blickwirkte alles unverändert. Aber die Blätter in meiner Schreibtischschublade waren durcheinander, mein Bücherregal war umgeordnet und die Schublade meines Kleiderschranks stand leicht hervor. Bei Eleanor war es genauso.
»Hier war hundertprozentig jemand drin«, sagte Eleanor und überprüfte ihren Kleiderschrank, der angeblich viel unordentlicher war als vorher, obwohl ich mir eine Steigerung kaum vorstellen konnte.
Unsere Türen hatten keine Schlösser, doch es galt als ungeschriebene Regel, dass ein fremdes Zimmer nie ohne Erlaubnis betreten wurde. »Wer, glaubst du, war das? Sollten wir das melden? Vielleicht war es die Lynch. Du weißt, wie die mich hasst«, sagte ich.
Plötzlich rannte Eleanor zu ihrer Unterwäscheschublade, als ob ihr etwas Wichtiges eingefallen wäre. Sie wühlte darin herum, warf den Inhalt auf den Boden und seufzte schließlich. »Nein. Sollten wir nicht«, sagte sie mit dem Rücken zu mir. »Wenn’s die Lynch nicht hat, dann will ich auch nicht, dass sie’s wieder auftreibt, denn dann würde sie reinschauen.«
»Wovon redest du? Was ist denn weg?«
Sie drehte sich zu mir um. »Mein Tagebuch.«
Siebtes Kapitel
Jenseitsgeflüster
L aut Professor Bliss gilt der Freitag bei einigen Kulturen als Unglückstag, besonders wenn er auf Halloween fällt. Aber was an jenem Freitag passierte, hatte nichts mit Glück oder Unglück zu tun. Ich bin nie abergläubisch gewesen und habe keine Angst vor Friedhöfen oder Flüchen. Seit dem Tod meiner Eltern schien mich der Tod sogar anzuziehen. Jedes Wort meiner Lehrer schien morbid und unheilschwanger, und überall, wo ich nur hinsah, starb irgendetwas oder war bereits tot: Motten, die in Spinnennetzen unter der Heizung baumelten; vertrocknete Bienen auf dem Fensterbrett; die kahlen Eichen, deren Blätter unter meinen Füßen wie Käfer knirschten. Aber das machte mir keine Angst. Ich glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod und an Geister glaubte ich erst recht nicht.
Am Freitag war es windig und bedeckt. Die Wolken hingen schwer vom Himmel, mit schwarzen, regensatten Bäuchen. Am Gottfried wurde Halloween in keinster Weise begangen. Im Gegenteil; ich glaube, dass die Schule das Fest vorsätzlich ignorierte, was ich zwar merkwürdig, aberhinnehmbar fand. Der Tag war schon unheimlich genug gewesen. Ich hatte den größten Teil davon im Haus verbracht, um dem Sturm zu entgehen. Eleanor hatte ihrem Bruder Brandon von dem gestohlenen Tagebuch erzählt, aber er konnte nicht mehr tun, als die Augen offen zu halten. Er war sich nur sicher, dass Mrs Lynch es nicht weggenommen hatte. Als Mitglied des Wächterkomitees hätte er das auf jeden Fall erfahren.
»Was hast du denn so Schlimmes reingeschrieben?«, fragte ich Eleanor. »Alles«, sagte sie. Als ich sie nach Details ausquetschen wollte, wich sie mir aus. »Ich hoffe nur, dass derjenige,
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